Festnahme nach Attacke auf BVB-Teambus

Polizei spricht von gezieltem Anschlag / Bekennerschreiben soll angeblich auf islamistischen Täter hindeuten / Champions-League-Spiel um einen Tag verschoben

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 4 Min.

Update 14.50 Uhr: Festnahme in Islamistenszene nach Dortmunder Anschlag
Die Bundesanwaltschaft hat nach dem Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund zwei Verdächtige aus der islamistischen Szene ins Visier genommen. Einer der Männer sei vorläufig festgenommen worden, sagte eine Sprecherin der Behörde am Mittwoch in Karlsruhe. Über die Beantragung eines Haftbefehls sei noch nicht entschieden. Bei beiden Verdächtigen seien die Wohnungen durchsucht worden.

Es sei von einem terroristischen Hintergrund der Tat auszugehen, sagte die Sprecherin weiter. Die genaue Motivlage sei noch unklar. Ein islamistischer Hintergrund des Anschlags sei »möglich«. Drei in Tatortnähe gefundene Bekennerschreiben würden nun insbesondere unter islamwissenschaftlichen Gesichtspunkten von Experten ausgewertet. Eine abschließende Bewertung sei noch nicht möglich.

Den bisherigen Ermittlungen zufolge ging von den drei in einer Hecke abgelegten Sprengsätzen eine erhebliche Gefahr aus. Die Sprengsätze waren laut Bundesanwaltschaft mit Metallstiften bestückt. Einer der Metallstifte habe sich in die Kopfstütze eines Bussitzes gebohrt. Die Sprengwirkung habe mehr als hundert Meter betragen. Kriminaltechnische Untersuchungen sollten nun aufklären, welcher Zündmechanismus und welcher Sprengstoff benutzt wurden.

Polizei spricht von gezieltem Anschlag auf BVB-Teambus

Der Fußball in Deutschland sah sich am Dienstagabend einer Attacke unbekannten Ausmaßes ausgesetzt. Kurz nachdem der Mannschaftsbus von Borussia Dortmund das Quartier des Teams verlassen hatte, detonierten drei Sprengsätze in unmittelbarer Nähe des Busses. Scheiben brachen und verletzten den BVB-Profi Marc Bartra so schwer, dass er noch in der Nacht operiert werden musste. Fremdkörper sollen in seinen Arm eingedrungen und die Speiche im Handgelenk gebrochen worden sein. Über den Hintergrund der Attacke schwieg sich die Polizei zunächst aus. Von einem Schreiben, das in der Nähe des Tatortes gefunden wurde, sprach die Dortmunder Staatsanwältin Sandra Lücke bei einer Pressekonferenz am späten Dienstagabend. Zu Details wollte sie aus »ermittlungstaktischen Gründen« zunächst nichts sagen.

Am Mittwochvormittag meldeten dann allerdings mehrere Medien: In dem Bekennerschreiben zum Anschlag auf den Mannschaftsbus soll es Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund der Tat geben. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen wird in dem in deutscher Sprache verfassten, einseitigen Schreiben auf den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt mit zwölf Toten vom Dezember und den Einsatz deutscher Tornado-Kampfflugzeuge in Syrien Bezug genommen. Zunächst hatten »Süddeutsche Zeitung«, »NDR« und »WDR« über die Details berichtet.

In Sicherheitskreisen wurde intensiv darauf hingewiesen, dass ein islamistischer Hintergrund des Anschlags weiterhin nicht geklärt sei. Es seien weitere Überprüfungen notwendig. Das Schreiben trage auch keine Symbole der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Es könne sich nach wie vor auch um gewaltbereite Fußballfans, Erpresser oder andere Täter handeln.

Die Bomben explodierten am Dienstagabend mehrere Kilometer vom Westfalenstadion entfernt, sodass die Fans erstmal gar nichts von dem Anschlag mitbekamen. Als sich über Facebook und Twitter die Nachricht verbreitete, sei es allerdings unruhiger geworden, berichtet ein Fan gegenüber dem »nd«. Der BVB habe dann allerdings sehr gut reagiert und den Erkenntnisstand an die Fans weitergeleitet. Um 20:30 Uhr wurde die Absage des Spiels und eine Neuansetzung am heutigen Mittwoch bekannt gegeben. Die Zuschauer verließen daraufhin langsam und geordnet das Stadion. Um das Westfalenstadion herum hatten zu diesem Zeitpunkt schon mit Maschinenpistolen und dicken Westen ausgestattete Polizeibeamte Position bezogen.

Michelle, die mit ihrem Freund und einem weiteren Paar aus Monaco zum Spiel angereist war, fand nur wenige Worte: »Paris, Nizza und nun auch noch Dortmund«, sagte sie zum »nd«. Der Terror sei einfach überall und das sei schrecklich, so die Anhängerin des AS Monaco. Auf der Seite der BVB-Fans gab es unterschiedlichste Reaktionen auf den Anschlag. Ein BVB-Mitarbeiter berichtete gegenüber »nd« von einem Mann, der nach zahlreichen ausländerfeindlichen Rufen aus dem Verkehr gezogen werden musste.

Der Abend in Dortmund zeigte aber auch ein anderes, Mut machendes Bild vom Fußball. Zahlreiche Monaco-Fans wurden von Dortmundern mit in Kneipen genommen, um die anderen Spiele anzusehen. Auf Twitter verbreitete sich schnell das Hashtag #bedforawayfans, unter dem Dortmunder den Anhängern aus Monaco Schlafplätze anboten. Gegen 0:30 Uhr war eine Gruppe, die sich durch #bedforawayfans kennengelernt hatte am zentralen Busbahnhof beim gemeinsamen Fußball spielen zu sehen. Marco, der drei Monaco-Fans mit nach Hause nahm, sagte gegenüber »nd«, dies sei doch »selbstverständlich« und Fußballfans müssten in solchen Stunden zusammenstehen.

Die Wiederholung des Spiels zwischen Dortmund und Monaco wird am heutigen Mittwoch unter verschärften Sicherheitsbedingungen stattfinden. Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange kündigte einen Großeinsatz und dauerhafte Präsenz der Polizei an.

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