Orbans Machtspiele mit Milliardär Soros

Ungarns Regierungschef will partout die Central European University in Budapest dichtmachen

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 3 Min.

Gestählte Parteisoldaten, die auf Durchzug stellen, lassen sich durch nichts aus ihrer stoischen Ruhe bringen. Protestdemonstrationen, Bittbriefe und Petitionen aus dem In- und Ausland: Alle Einwände gegen Ungarns neues Hochschulgesetz perlten an Staatschef Janos Ader ab. Das Gesetz schränke die Freiheit von Forschung und Lehre keineswegs ein, rechtfertigte er die Abzeichnung der umstrittenen Novelle.

Tatsächlich dürfte sich durch die neue Regelung, dass eine ausländische Universität in Ungarn auch einen Lehrbetrieb in ihrem Mutterland unterhalten muss, für nahezu alle Hochschulen mit ausländischen Trägern kaum etwas ändern.

Mit der Zentraleuropäischen Universität (CEU) droht aber ausgerechnet der international renommiertesten Akademikerschmiede des Landes das Aus: Die 1991 von dem aus Ungarn stammenden US-Milliardär George Soros gegründete Elite-Universität kann als einzige die Auflage nicht erfüllen.

Es ist weniger die CEU als deren Gründer, der den nationalpopulistischen Premier Viktor Orban unbeirrt an seinem Feldzug gegen die missliebige US-Universität festhalten lässt: Das von Soros formulierte Ideal einer »offenen Gesellschaft« steht seinem Plädoyer für eine »illiberale Demokratie« entgegen.

Auch für Orbans Kritiker geht es um mehr als den Erhalt einer kleinen Elite-Universität: Das Hochschulgesetz ziele nicht nur darauf, die CEU zu schließen, sondern »uns auf ein Leben außerhalb der EU vorzubereiten«, befürchtet die linke Zeitung »Nepszava«. Über 70 000 Menschen zogen am vorigen Sonntag aus Solidarität mit der CEU durch Budapest.

Der frühere Soros-Stipendiat Orban sucht nach Meinung des Budapester Analysten Peter Kreko in der internationalen Arena bewusst den Dauerkonflikt, um sich als Gralshüter der nationalen Interessen profilieren zu können: »Er braucht einen starken Feind, um den eigenen Anhang mobilisieren zu können.«

Im nächsten Frühjahr stehen in Ungarn Parlamentswahlen an. Orban benötigt beim Buhlen um den Anhang der rechtsextremen »Jobbik«-Konkurrenz wieder einen adäquaten Gegner. »Stoppt Brüssel« nennt sich das Motto einer von der Regierung in diesen Tagen initiierten Volksbefragung, die mit suggestiven Fragen gegen ein ausgemachtes »EU-Diktat« in der Wirtschafts- und Flüchtlingspolitik zu Felde zieht. Doch noch mehr als die von Orban gerne an den Pranger gestellte EU-Melkkuh eignet sich Soros als Sündenbock. Jüdisch, Finanzspekulant und reich: Als dämonisiertes Feindbild für antisemitisch angehauchte Verschwörungstheorien ist der 86-Jährige für autoritär gestrickte Politfürsten ideal.

Nicht nur beim Feldzug gegen die von Budapest gern als »Soros-Universität« deklamierte CEU, sondern auch gegen von Soros unterstützte Bürgerrechtsgruppen scheint Orban dem Beispiel seines Vorbilds Wladimir Putin zu folgen: Erst im März ist der von Soros ebenfalls unterstützten Europa-Universität in St. Petersburg die Lizenz entzogen worden. Zwar zählt der US-Botschafter in Ungarn mit zu den schärfsten Kritikern des neuen Hochschulgesetzes. Doch in ungarischen Medien wird spekuliert, dass Orban die Novelle mit dem Segen der neuen US-Administration auf den Weg gebracht habe. Von dem erklärten Soros-Feind Donald Trump könne die bedrängte CEU kaum Hilfe erwarten.

Er habe von Washington feste Unterstützung zugesagt bekommen, beteuert hingegen der kanadische CEU-Rektor Michael Ignatieff. Doch bleibt es bei den verhärteten Fronten, wird die CEU ab 2018 keine neuen Studenten mehr aufnehmen können - und spätestens 2021 ihre Zelte in Budapest abbrechen müssen.

Die EU-Kommission will in Sachen Universitätsgesetz und angesichts Budapests Vorgehen gegen Nichtregierungsorganisationen bis Monatsende über die Einleitung möglicher Vertragsverletzungsverfahren entscheiden. Das wurde nach der Sitzung der Kommission am Mittwoch mitgeteilt. Die Kommission setze aber auf einen »politischen Dialog« mit Budapest, um die Probleme zu lösen.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal