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Wer dichthält, bezahlt dafür

Fragen & Antworten zum BGH-Urteil zu illegalem Upload in der Familie

  • Lesedauer: 3 Min.

Müssen die Eltern für den Schadenersatz aufkommen? Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 30. März 2017 (Az. I ZR 19/16) nicht unbedingt. Dafür müssen sie aber bereit sein, ein volljähriges Kind zu verpfeifen.

Worum ging es in dem vorm BGH verhandelten Fall?

Anfang 2011 taucht das Erfolgsalbum »Loud« der Pop-Sängerin Rihanna in einem Filesharing-Netzwerk auf. Über solche Tauschbörsen ziehen sich die Nutzer unerlaubterweise Musik und Filme auf ihren Computer und stellen die heruntergeladenen Teile der Datei zugleich anderen zur Verfügung. Der Haken an der Sache: Für die geschädigten Firmen ist es ein Leichtes, über die IP-Adresse zurückverfolgen zu lassen, von welchem Internetanschluss aus die Datei angeboten wurde. Im verhandelten Fall führte die Spur zu einer Münchner Familie: Vater, Mutter, drei gerade erwachsene Kinder. Die Plattenfirma bestand auf Schadenersatz und Abmahnkosten von insgesamt über 3500 Euro.

Warum sollten Eltern zahlen?

Mit dem Anschluss steht oft noch nicht fest, wer tatsächlich der Täter ist. Denn die meisten Familien oder WGs teilen sich einen Internetzugang. Der Nutzer, auf den der Anschluss angemeldet ist, steht wegen der sogenannten Störerhaftung allerdings besonders in der Pflicht. Ein »Störer« ist nach der Rechtsprechung des BGH, »wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt«. Das kann also auch jemand sein, der sich nicht ausreichend darum gekümmert hat, dass sein Anschluss vor Missbrauch geschützt ist.

Welche Pflichten haben Anschlussinhaber?

Nach einem BGH-Urteil von 2010 kann beispielsweise im Falle von Hacker von Privatleuten erwartet werden, dass sie die Standardeinstellungen ihres Routers ändern und ein eigenes Passwort einrichten. Später müssen sie nicht ständig auf dem neuesten Stand der Technik bleiben. Auch einer individualisierten Verschlüsselung des Herstellers dürfen Nutzer grundsätzlich vertrauen, wie der BGH kürzlich entschied.

Bleibt das Risiko durch die Familie, Mitbewohner oder Besucher. Was gilt hier?

Der BGH hat in mehreren Entscheidungen herausgearbeitet, dass die Haftung für andere ihre Grenzen hat. Demnach haben Eltern ihre Kinder nachweisbar darüber aufzuklären, was verboten ist - ohne Verdacht müssen sie sie am Rechner aber nicht ständig kontrollieren. Volljährige sind grundsätzlich für sich selbst verantwortlich und müssen nicht belehrt werden. So musste eine Frau, die ihre Nichte aus Australien zu Besuch hatte und ihr das WLAN-Passwort nannte, nicht für den Upload eines Films haften. Zuletzt stellte der zuständige Senat des BGH klar, dass es niemandem zuzumuten ist, das Surfverhalten seines Ehepartners zu dokumentieren oder dessen Computer auf verbotene Software abzusuchen.

Worin bestand das Problem bei der Münchner Familie?

A und O ist immer, dass der Anschlussinhaber schlüssig erklären kann, warum nicht er selbst, dafür aber ein anderer als Täter infrage kommt. Die Eltern sagten, dass sie an dem fraglichen Abend Besuch hatten und alle Kinder in der Zeit von ihren Zimmern aus über eigene Geräte ins Familien-WLAN gekonnt hätten. Sie wüssten auch, wer das Album hochgeladen habe. Die Eltern wollen den Namen aber nicht sagen. In der Vorinstanz hatten Gerichte geurteilt, dass die Eltern den Schaden selbst zahlen müssen.

Was entschied nun der BGH?

Die Richter sahen die Sache genauso. Nach ihrer Überzeugung sind die Eltern zwar nicht verpflichtet, ihr Kind zu verpfeifen - es ist ihnen aber zuzumuten. Schweigen sie lieber, »müssen sie die entsprechenden Nachteile tragen«, so der Vorsitzende Richter. Denn um sich zu entlasten, muss der Anschlussinhaber nun einmal sagen, wer es stattdessen war, sonst hätten geschädigte Firmen keine Chance, Urheberrechtsverletzungen zu ahnden. dpa/nd

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