Rassismus im Regen

Im Kino: »Ein Dorf sieht schwarz« von Julien Rambaldi

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 4 Min.

Nein, Paris ist es nicht. Außerdem regnet es ständig, Haus und Wagen sind in schlechtem Zustand. Und dann wird auch noch auf den neuen Arzt geschossen. Der stammt aus Zaïre, heute Kongo, hat in Lille Medizin studiert und möchte lieber nicht Mobutus Leibarzt werden, auch wenn zu Hause alles arrangiert ist. Nein, der klassische Aufstieg des nach auswärtigen Studien zurückkehrenden Arrivisten liegt Seyolo Zantoko (Marc Zinga) nicht. Also holt er stattdessen seine Familie nach Frankreich nach. Die hört am Telefon nicht das »nördlich von«, sondern nur: »Paris«. Und sieht sich schon auf den Champs Elysées flanieren.

Stattdessen stehen Ehefrau Anne, Tochter Sivi und Sohn Kamini bald im französischen Norden an einer kargen Weggabelung im kalten Regen. Um sie herum nichts als Felder, so weit das Auge reicht. Es ist »Sch’ti-Landschaft« - und »Sch’ti-Wetter«. Und auch die Fremdenfeindlichkeit ist nicht von schlechten Eltern. Für den Arzt ohne französischen Pass ist die Arbeitsstelle in der tiefsten Provinz eine Chance, nicht nach Kinshasa zurückgehen zu müssen. Für den Bürgermeister von Marly-Gomont ist ein schwarzer Arzt besser als gar kein Arzt - auch wenn nicht ganz klar wird, was ein Arzt der Gemeinde nützt, zu dem niemand gehen mag.

Denn natürlich ist es Mitte der 70er Jahre für einen Neuankömmling mit anderer Hautfarbe nicht leicht in der Provinz. Das war damals nicht anders als heute. Beim Versuch, die Ablehnung der Dorfbewohner zu überwinden, betrinkt sich der neue Arzt erstmal in der Kneipe. Immerhin besser, als hilflos inmitten eines Feldes zu stehen, während der Bauer, der ihn rief, aus der Ferne die Schrotflinte anlegt. Tochter Sivi (Médina Diarra), die auf eine Fußballkarriere hoffte, muss feststellen, dass daraus in Frankreich (vorerst) nichts wird. Ehefrau Anne (Aïssa Maïga) vertelefoniert vor lauter Heimweh ein Vermögen. Kamini (Bayron Lebli), der Sohn, auf dessen Lebenserinnerungen »Ein Dorf sieht schwarz« beruht, steht beim ersten Klassenappell auf dem Schulhof alleine hinter lauter Zweierreihen. Und als es schließlich so aussieht, als ob die Gegenwehr nachlässt, ist das auch wieder nur ein Fehlstart.

Wahlen stehen an im Dorf, und der Gegenkandidat des Bürgermeisters, der Seyolo Zantoko von seiner Abschlussfeier weg als Arzt für die Gemeinde rekrutierte, dreht dem Bürgermeister nun einen Strick daraus, dass immer noch alle in die nächste Stadt fahren, um sich medizinisch versorgen zu lassen. Weil es dort einen »richtigen« Arzt gibt. Einen, der aussieht wie sie alle.

Julien Rambaldi steht mit »Ein Dorf sieht schwarz« in einer Traditionslinie französischer Komödien, die dem alltäglichen Rassismus mit Humor und Durchhaltevermögen beizukommen versuchen. Das geht meist nicht ohne Klischees ab, landet regelmäßig mit beiden Füßen voran im Fettnäpfchen und noch etwas vorhersehbarer in Sentimentalität und Klamauk. So auch hier.

Aber es gibt auch die anderen Momente. Zum Beispiel wenn die Frau des Arztes glaubt, er habe eine Affäre, weil er nie in der Praxis ist, während er sich in Wirklichkeit beim einzigen Bauern nützlich macht, der mit ihm redet - und ihm Arbeit geben mag. Der erste Schnee ist ein kleines Wunder für alle, die noch keinen gesehen haben - auch wenn die erste Reaktion auf die nasskalte Gegend ein stetes Klagen über die dauernde Kälte war. Der Film walzt den Moment aus mit Swing und guter Laune - aber das ansteckende Lachen der Kinder ist zugleich auch eine explosive Erinnerung daran, dass diese Kids sonst ziemlich wenig zu lachen haben.

Wenn Freunde und Familie aus Zaïre und dem nicht allzu fernen Brüssel zu Besuch kommen, ist die plötzliche Heiterkeit ebenso erfrischend, auch wenn das Dorf sich in seinem Weltkriegsgedenken empfindlich gestört fühlt. Dass die Frau des Arztes nicht sonderlich amüsiert reagiert, als sie von Freunden erfährt, dass er nicht Leibarzt bei Mobutu sein mochte, spricht dann wiederum dafür, dass in dieser Ehe mehr schief läuft als sich mit den Eingewöhnungsproblemen in einer fremden und stark fremdelnden Umgebung erklären ließe.

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