Bleiben wir beim Sie, Herr Müller
Ellen Wesemüller über den ersten 1. Mai unter Rot-Rot-Grün
Ein Bild der Demo bleibt hängen. Das Frontbanner des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) tragen die mit, die in Berlin nun das Sagen haben: Senatoren von Rot-Rot-Grün, Müller, Geisel, Breitenbach und Lederer. Dahinter ragt ein Wimpel in die Höhe: »Solidarität«. Die DGB-Vorsitzende ruft den Regierenden mit »Michael«, dieser dankt »Doro«. Als stünden sie alle auf einer Seite. Der der Arbeitenden.
Ich weiß, dass es sich beim Duzen um eine sozialdemokratische und gewerkschaftliche Tradition handelt und der wahre Gegner, auch das weiß ich, ein anderer ist: das Kapital. Doch in diesem Jahr kommen die Parteien eben nicht nur als Thronfolger der Arbeiterbewegung zum 1. Mai, sondern als politisch Handelnde und Verantwortliche.
Es ist sicher zu früh, eine Bilanz zu ziehen zum Verhältnis von Rot-Rot-Grün zur Arbeiterklasse. Klar ist, dass die Erwartungen hoch sind. Und dass sie teilweise schon enttäuscht wurden: bei den Hochschulrahmenverträgen, bei den geringen Lohnsteigerungen für Erzieher und Sozialpädagogen, bei der drohenden Auslagerung an der Zentral- und Landesbibliothek. Seinen markigen Worten muss der Regierende nun Taten folgen lassen. Bis dahin belassen wir es lieber beim Sie, Herr Müller.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.