Zu früh fertig sein ist auch keine Lösung

In Köln und Paris beginnt die Eishockey-WM - besonders am Rhein wirkt man noch sehr gelassen

  • Andreas Morbach, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.

Das überdimensionierte Requisit des bevorstehenden Turniers liegt noch eingepackt in der Sonne. Unter einer riesigen Kunststoffplane schimmert ein schwarz-weißer Eishockeyhelm hindurch. Im Hintergrund hämmern vier ganz in Schwarz gekleidete Handwerker noch an der Showbühne für die Eishockey-Weltmeisterschaft der Männer. Der Helm, der zwischen ihnen und der Haupthalle deponiert ist, bleibt fürs Erste unbeachtet. Dabei wirkt er für den Kopf eines Zyklopen gemacht - ganz so, als stünde er symbolisch für die großen Ambitionen der Kölner WM-Organisatoren.

Gemeinsam mit Paris veranstaltet die Karnevalshochburg am Rhein in den kommenden gut zwei Wochen das globale Treffen der Puckjäger. Mindestens 600.000 Karten wollen die beiden Städte bei den insgesamt 64 Spielen verkaufen, mit etwas über 500.000 abgesetzten Tickets liegen sie aktuell gut im Rennen. Wobei Franz Reindl, Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) und Organisationschef, einräumt: »In dieser Phase leben wir nun auch vom sportlichen Erfolg - nicht nur unserem eigenen, sondern auch dem der internationalen Mannschaften.«

Zum vierten Mal empfängt Köln die Eishockeyspieler im Rahmen einer Weltmeisterschaft, zum dritten Mal nach 2001 und 2010 in der Mehrzweckhalle im Stadtteil Deutz. Diese Erfahrung verleiht den Gastgebern, die mit beiden Halbfinals, dem Spiel um Platz drei und dem Finale den Showdown des Turniers beherbergen dürfen, eine gewisse Lässigkeit. Getreu dem Motto: Zu früh mit allem fertig zu sein, ist auch keine Lösung.

Kurz vor den beiden ersten Spielen am Freitagnachmittag (Schweden gegen Russland) und am Abend (Deutschland gegen USA) wartet der gewaltige Pavillon für die Werbewirtschaft deshalb noch auf seine Vollendung. Und ein paar Schritte weiter unten auf der terrassenförmig angelegten Wiese vor der Arena tragen kräftige Männer in aller Seelenruhe Bretter zu einem mobilen Gebäude, von dem bislang nur der Holzboden steht. Gekommen sind sie in einem silbernen Cabrio mit litauischem Kennzeichen. Die Autotüren stehen offen, laute Popmusik aus ihrem Heimatland dröhnt aus den Boxen.

Da einige Sponsoren ihre Kontingente nicht ausschöpften, sind zurückgeschickte Tickets für die Mehrzahl der deutschen Spiele doch noch zu haben. »Eine WM am Eishockeystandort Köln kann nur gut werden«, lockt Tobias Rieder alle Unentschlossenen. Und dabei stört es den 24-jährigen Stürmer, der in der NHL für die Arizona Coyotes spielt, auch nicht, dass er als Einziger aus dem DEB-Aufgebot noch nie in der 18.500 Zuschauer fassenden Heimhalle der Kölner Haie aufgelaufen ist.

Für Rieder und seine Kollegen hat es gerade der WM-Auftakt in sich, nach dem Auftaktduell mit den USA treffen die Co-Gastgeber tags darauf auf den neunmaligen Weltmeister Schweden und am Montag auf Rekordtitelträger Russland. Bei der WM 2016 in Russland schaffte es die deutsche Auswahl bis ins Viertelfinale, eine Wiederholung dieses Erfolgs hält Marco Sturm auch beim Heimspiel für möglich. »Die Mannschaft ist gut genug für etwas Tolles - auch wenn der Druck mit Sicherheit größer ist als im letzten Jahr«, betont der Bundestrainer.

Köln gilt als eishockeyverrückter Standort, gesonderte Werbebotschaften jenseits des WM-Kerns rund um die Deutzer Arena erschienen den Veranstaltern da überflüssig. Die Straßen der Domstadt sind vielmehr mit Politikergesichtern plakatiert, die um Stimmen bei der Landtagswahl am 14. Mai buhlen. Mit Slogans rund um die schnelle schwarze Scheibe werden die Menschen hier nicht behelligt.

Die große Ausnahme bildet die Hohenzollernbrücke. Von deren östlichen Ende aus hat man einen perfekten Blick auf den Dom - und genau dort steht neuerdings eine Miniaturausgabe des Eiffelturms, umrahmt von einer weißen WM-Werbebanderole. Es ist der charmante, etwa acht Meter hohe Hinweis auf die Mitgastgeberin an der Seine, die man per Hochgeschwindigkeitszug in gut drei Stunden erreichen kann. Und ist der WM-Pendler dann in Paris eingetroffen, erwartet ihn, naturellement, eine Kopie des Kölner Doms. Im Kleinformat.

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