Neurechte wollen den 17. Juni vereinnahmen

Die »Identitäre Bewegung« plant eine Demonstration / Verfassungsschutz zählt 30 Mitglieder in Berlin

  • Alexander Isele
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Hauptstadt steht wieder ein Aufmarsch der »Identitären Bewegung« bevor. Die Neurechten werben in den Sozialen Netzwerken für eine Demonstration am 17. Juni, teilte Innensenator Andreas Geisel (SPD) auf einer Sitzung des Verfassungsschutzausschuss am Mittwoch mit. Die Rechten würden europaweit mobilisieren, die Demonstration habe der Anführer der »Identitären Bewegung Berlin-Brandenburg« angemeldet. Der Innensenator erwartet Teilnehmerzahlen im hohen dreistelligen Bereich. In der Demonstration sieht Geisel einen weiteren Versuch, die Ereignisse um den 17. Juni 1953 in der DDR zu instrumentalisieren und Geschichte umzudeuten.

Für den selben Tag wurde die anti-israelische Al-Kuds-Demonstration angemeldet. Geisel befürchtet daher einen »erhöhten Sicherheitsaufwand«, sieht dem aber gelassen entgegen, auch, weil die Demonstrationen räumlich voneinander getrennt seien. Gegen den Aufmarsch der »Identitären« wurden bereits Gegendemonstrationen angemeldet, teilte Geisel weiter mit. Gegen die Al-Kuds-Demonstration ebenfalls, allerdings für den 24. Juni - an dem Datum fand die Demonstration in den vergangenen Jahren statt. Geisel spekulierte, dass die Anmeldung für den 17. Juni eine beabsichtigte Terminverwirrung der Veranstalter sein könnte, um den Gegenprotest zu erschweren.

Kenntnisse über eine Zusammenarbeit zwischen AfD und der »Identitären Bewegung« hatte der Innensenator keine, da »die AfD nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wird«. Diese Informationen lieferten andere. Der Linkspartei-Abgeordnete Niklas Schrader berichtete im Ausschuss von einem Foto vom diesjährigen »Angrillen« auf der Facebook-Seite der Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD. Zu sehen sind darauf einige AfD-Abgeordnete, Mitglieder der Jugendorganisation und der Anführer der Berliner »Identitären« Robert Timm.

Ronald Gläser, der für die AfD im Verfassungsschutzausschuss sitzt, wies während der Sitzung mehrmals auf den Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD von 2016 hin, in dem die Partei eine Zusammenarbeit mit den »Identitären« ausschließt. Den Beschluss begründete er mit der Befürchtung, dass »der Laden sich nach rechts außen zu bewegt«. Das hinderte ihn aber nicht daran, im nächsten Satz dem Inlandsgeheimdienst vorzuwerfen, »eine oppositionelle Bewegung unterdrücken zu wollen«, und forderte den Verfassungsschutz auf, die »paar jungen Leute, die spektakuläre Aktionen machen«, nicht weiter zu beobachten.

Bernd Palenda, Leiter des Berliner Verfassungsschutzes, begründete die Beobachtung der mittlerweile über 30 »Identitären« in Berlin damit, seine Organisation müsse als »Frühwarnsystem« agieren. Palenda nennt das Ziel der »Identitären«, eine neue Szene zu gründen. Allem voran wenden sie sich an Jugendliche. Dabei »werden keine langen Reden gehalten«, auch haben sie noch nie Flugblätter verteilt. Stattdessen sollen Aktionen die Aufmerksamkeit junger Menschen gewinnen sowie ein breites bundesweites Netzwerk gebildet werden, das Kontakte ins Ausland pflegt. Wenn die Mitglieder älter werden, sollen sie »an andere Organisationen abgegeben werden, ohne die Verbindung zu kappen.« Nicht zuletzt sieht Palenda Bemühungen der »Identitären« um Kontakte zur AfD.

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