Fünf Jahre BER-Chaos - Fragen und Antworten

Alle Fakten zum andauernden Desaster in Schönefeld

  • Christina Peters und Burkhard Fraune
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie oft wurde die Eröffnung eigentlich schon abgesagt?

Man hat sich an die kleinlauten Eingeständnisse gewöhnt: Seit Baubeginn 2006 haben die Verantwortlichen den BER-Start fünf Mal gecancelt. Eigentlich sollte der drittgrößte Flughafen Deutschlands schon im Herbst 2011 in Betrieb gehen. Inzwischen dauert die Sanierung schon länger als die eigentliche Bauphase.

Was haben die Verantwortlichen in den fünf Jahren getan?

Zunächst: Das Chaos vergrößert. Architekten flogen raus, neue Manager kamen, den Moloch zu zähmen. Gemein war ihnen ihr großes Ego, die Rezepte unterschieden sich: Mal sollte es gründlich gehen, mal husch, husch. Hahnenkämpfe wie zwischen den Managern Horst Amann und Hartmut Mehdorn ließen die Baustelle zur Nebensache werden. Die Politik machte Druck, Köpfe rollten, Stückwerk blieb. Und Pech: die Pleite des Ausrüsters Imtech etwa und ein Technikchef, der sich schmieren ließ.

»Wir haben zwischen 2012 bis 2014 zwei Jahre sinnlos vertan«, bekannte Berlins Senats-Chef Michael Müller (SPD) erst lange, nachdem er seinen Vorgänger Klaus Wowereit abgelöst hatte. Inzwischen gibt es aber auch große Fortschritte: Sämtliche Umbauten sind genehmigt und es gibt einen halbwegs klaren Überblick, was noch zu tun ist.

Bis zuletzt wurden aber auch Dinge verschlafen, etwa dass ein Teil der Sprinkler nicht genug Wasserdruck hat und dass sich 1000 Türen nicht richtig steuern lassen - weshalb auch der Start 2017 kippte.

Warum ist die Baustelle so schwer in den Griff zu bekommen?

Vieles folgt am BER in Schönefeld aus alten Fehlentscheidungen: gigantischen Umplanungen nach Baubeginn, dem Verzicht auf einen Generalunternehmer, zu knappen Eröffnungsterminen. Und: Die beteiligten Firmen verdienen gut daran, dass der Flughafen nicht fertig wird. Sie werden seit 2012 auf Stundenbasis angefordert. Auf Werkverträge mit Fristen und festen Summen lassen sie sich nicht mehr ein.

Wird der BER jemals in Betrieb gehen?

Davon ist auszugehen, zumal der manchmal geforderte Neubau an anderer Stelle illusorisch ist. Schon Standortsuche, Planung und Genehmigung könnten gut und gerne 15 Jahre verschlingen - zu lange für den stark wachsenden Berliner Luftverkehr. Zudem: Die wesentlichen Probleme am BER scheinen aus dem Weg geräumt, auch wenn solche Feststellungen bei dem Projekt mit Skepsis zu betrachten sind. »Wir sind jetzt in der Phase, wo wir die Schlussarbeiten haben«, versichert jedenfalls der Flughafenchef. Die große Frage ist die nach dem Wann. 2018 ist jetzt das Ziel, doch sicher ist Lütke Daldrup noch nicht. Seine Fachleute haben zwei Dutzend Bereiche benannt, in denen noch Risiken schlummern könnten. Ein Gutachten nährt Zweifel an 2018.

Warum lässt man nicht einfach den Flughafen in Tegel offen?

Der Flughafen platzt aus allen Nähten. Außerdem verlassen sich die Anwohner seit 20 Jahren darauf, dass dort nach dem BER-Start Schluss ist. Es ist umstritten, ob es überhaupt rechtlich möglich wäre, Tegel parallel zum neuen Flughafen offen zu halten. In jedem Fall wäre das Klagerisiko hoch. Gleichwohl hat die Berliner FDP erreicht, dass es am Tag der Bundestagswahl einen Volksentscheid über Tegel gibt. Wenn eine Mehrheit der Berliner es will, müsste sich der Senat gegen seinen erklärten Willen dafür einsetzen, dass Tegel offen bleibt. Dann könnte es politisch spannend werden.

Wie viel kostet das BER-Desaster?

Seit Baubeginn ist der Kostenrahmen von 2 auf 6,5 Milliarden Euro gewachsen - ohne Ausgaben für die Verkehrsanbindung und größtenteils ohne Zinsen. Dazu trugen auch Erweiterungen des Projekts bei. Heute versichert das Management, bis 2020 mit dem Geld auszukommen - auch weil es an den Bestandsflughäfen brummt. Der leere Flughafen verschlingt unterdessen monatlich 17 Millionen Euro Betriebskosten, zudem fehlen eingeplante Mieteinnahmen von 13 bis 14 Millionen Euro.

Musste irgendjemand für dieses Debakel haften?

Nein. Gefeuerte Geschäftsführer erhielten Abfindungen. Politische Karrieren bekamen Knicke oder sie endeten, etwa bei Wowereit. Oppositionsforderungen, ihre Haftbarkeit neu zu prüfen, perlten bislang an den SPD-geführten Landesregierungen ab. dpa

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