Schäfer halten nichts von Jagd auf Wölfe

Herden nur durch Zäune und Schutzhunde relativ zuverlässig geschützt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Ein Wolf in einem Gehege des Wildparks Schorfheide. Hier richtet er garantiert keinen Schaden an.
Ein Wolf in einem Gehege des Wildparks Schorfheide. Hier richtet er garantiert keinen Schaden an.

2021 sind innerhalb kurzer Zeit zweimal Wölfe in die Schafherde von Jonas Scholz eingebrochen und haben 18 Tiere gerissen. Scholz verlor ein Drittel seiner damaligen Herde. Dennoch ist der Schäfer dagegen, 15 Prozent der Wölfe in Brandenburg abzuschießen. »Eine Quotenjagd ist kein Herdenschutz«, ist er überzeugt. Jonas Scholz ist Vorsitzender des Schafzuchtverbands Berlin-Brandenburg. Nach dem Erlebnis von 2021 hat er seine Herde durch einen besseren Netzzaun geschützt.

Schäfer Knut Kucznik erlebte selbst noch keinen Wolfsriss. Dennoch haben ihn die Wölfe einiges gekostet, wie er am Freitag sagt. Denn seit 2010 hält Kucznik speziell ausgebildete Hunde, die es mit Wölfen aufnehmen und diese Raubtiere abschrecken. »Hunde sind kompliziert in der Haltung und teuer im Unterhalt«, berichtet Kucznik. Da war es schmerzlich, dass die jährlich mögliche Fördersumme von 1920 Euro aus EU-Mitteln zuletzt nicht abgerufen werden konnte. Die alte Bundesregierung habe vor der Wahl im Februar keinen Haushalt mehr zustande gebracht und auch von der neuen Regierung liege noch kein bestätigter Haushalt vor, erinnert Kucznik.

Auch er glaubt nicht, dass eine Reduzierung des Wolfsbestands eine Lösung wäre. »Solange noch ein Wolf da ist – nur einer – , sind unsere Herden in Gefahr«, berichtet der Schäfer. Da Wölfe unter Artenschutz stehen, nicht ausgerottet werden dürfen und sollen, gibt es für Knut Kucznik und Jonas Scholz nur eine Lösung: Schutzzäune und Schutzhunde ausreichend finanziell fördern. 1200 Euro Zuschuss pro Kilometer Zaun sind nach den Vorgaben der EU möglich.

Dass eine Quotenjagd nichts bringen würde, dass aber Zäune und Schutzhunde wirken, davon ist Carsten Preuß überzeugt. Der Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) berichtet, in Slowenien, der Slowakei und Frankreich habe eine Quotenjagd nichts bewirkt, in Spanien seien trotz Jagd auf den Wolf sogar mehr Nutztiere durch die Rudel gerissen worden als vorher. Dagegen sei die Zahl der Wolfsrisse in Brandenburg von 2023 auf 2024 um 20 Prozent gesunken, obwohl sich der hiesige Wolfsbestand in diesem Zeitraum sogar leicht erhöht habe.

Wenn kein Wolf mehr an ein Schaf herankommt, dann halten sich die Rudel allein an Rehe, Biber und anderes Wild. Es ist sogar erwünscht, dass sie die viel zu hohen Bestände an Rehwild reduzieren. Denn Rehe knabbern Rinde von den Bäumen und fressen junge Triebe weg, womit sie den Wäldern und der Forstwirtschaft großen Schaden zufügen.

Wenn es nach Schäfer Jonas Scholz ginge, sollten nur die sogenannten Problemwölfe abgeschossen werden, denen es gelingt, Zäune zu überwinden und an den Schutzhunden vorbeizukommen. Diese Exemplare einzufangen und notfalls auch abzuschießen, ist bereits erlaubt. Auch Wölfe, die ihre natürliche Scheu ablegen und in Siedlungen eindringen, dürfen getötet werden. Fünf solche Problemwölfe sind in den vergangenen Jahren in Brandenburg im Einklang mit den Bestimmungen erlegt worden. Das sollte noch unbürokratischer möglich sein, findet Schäfer Scholz – und Naturschützer Preuß hat dagegen nichts einzuwenden.

Die Quotenjagd ist eine umstrittene Idee, für die sich zuletzt Brandenburgs Agrarstaatssekretär Gregor Beyer vehement eingesetzt hat. Dabei argumentierte er, dass es in Brandenburg an die 2000 Wölfe gebe, während der Bestand im sehr viel größeren und nur dünn besiedelten Norwegen auf 250 Exemplare begrenzt werde.

Für den BUND-Landesvorsitzenden Preuß ist das eine Fantasiezahl. Er hält sich an die Zahlen, die sich aus gemeldeten Sichtungen der Tiere und Aufnahmen von Wildtierkameras ableiten: Demnach streifen 58 Rudel durch Brandenburg, acht Wolfspaare und zwei Einzeltiere. Preuß rechnet mit durchschnittlich acht Tieren pro Rudel und kommt auf insgesamt knapp 500 Exemplare.

»Wir nehmen die mit der Rückkehr des Wolfs verbundenen Herausforderungen – vor allem die Risse bei Weidetieren – sehr ernst«, versicherte Anfang August der Landtagsabgeordnete Andreas Kutsche (BSW). Aufgabe der Politik sei es, zwischen den unterschiedlichen Positionen zu vermitteln. »Zuerst brauchen wir verlässliche Zahlen darüber, wie groß die Population tatsächlich ist«, sagte Kutsche.

Christiane Schröder vom Naturschutzbund (Nabu) kommt in ihrer Schätzung auf höchstens 600 bis 700 Wölfe. »So kann man aus unserer Sicht so ein Amt nicht führen«, beklagt sich Schröder am Freitag über Agrarstaatssekretär Beyer. Dieser habe »Parolen gedroschen« und Öl ins Feuer gegossen, statt zwischen Naturschützern sowie den Jägern und Bauern zu vermitteln. Beyer leitete einst das vom Nabu betriebene Naturerlebniszentrum Blumberger Mühle und war von 2009 bis 2014 FDP-Landtagsabgeordneter. Ende 2024 wurde er Staatssekretär von Agrarministerin Hanka Mittelstädt (SPD). Anfang 2025 trat er aus der FDP aus.

Am Freitag meldet die Nachrichtenagentur dpa, Ministerin Mittelstädt habe Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) gebeten, Staatssekretär Beyer zu entlassen. Zuvor hatte die »Märkische Oderzeitung« über einen angeblich bevorstehenden Rauswurf von Beyer berichtet. Eine amtliche Bestätigung dafür gibt es zunächst nicht. Fest steht: Ministerin Mittelstädt und ihr Staatssekretär hatten unterschiedliche Ansichten zum Umgang mit dem Wolf.

»Solange noch ein Wolf da ist – nur einer – , sind unsere Herden in Gefahr.«

Knut Kucznik Schäfer
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