SPD beklagt Koalitionsbruch - und traut sich selbst nicht

Nach dem Scheitern des Rückkehrrechts in Vollzeitarbeit bei Großer Koalition: Linkspartei fordern Sozialdemokraten heraus

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Berlin. Nach der Blockade der Union in Sachen Rückkehrrecht von Teil- in Vollzeitarbeit ist die SPD schwer empört. Parteichef Martin Schulz warf Kanzlerin Angela Merkel sogar den Bruch der Regierungskooperation vor. Die Union würde »die Wünsche vieler Frauen« ignorieren, twitterte der Sozialdemokrat. Und erklärte, CDU und CSU »brechen den Koalitionsvertrag«.

Zieht die SPD daraus Konsequenzen? Schulz verwies zwar darauf, dass Union und SPD das Rückkehrrecht in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hätten. Er kritisierte auch, Merkel wolle nun offenbar »zu einem Ende der geordneten Zusammenarbeit in der Koalition kommen«. Er fügte auch hinzu: »Das Bundeskanzleramt entwickelt sich zu einer Wahlkampfzentrale.« »Frau Merkel blockiert Verbesserungen für Frauen am Arbeitsmarkt, wenn es darauf ankommt«, sagte auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig.

Mehr als Rhetorik wird hier aber wohl nicht kommen. Viele Menschen hätten Vertrauen in die Große Koalition gehabt, weil sie den Koalitionsvertrag »sehr zuverlässig abgearbeitet« habe, lobte der SPD-Chef dann gleich noch die bisherige Bundesregierung. Und verwies darauf, dass die SPD zu ihren Verpflichtungen gestanden habe - was ihr nicht immer ganz leicht gefallen sei.

Bei der Linkspartei zielte man derweil auf diese wunde Stelle der SPD. »Bringen Sie doch den Antrag in den Bundestag«, twitterte Parteichef Bernd Riexinger. Es gebe eine Mehrheit jenseits der Union im Parlament dafür, sagte er mit Blick auf den Mandatsvorsprung von SPD, Linkspartei und Grünen. Und schob hinterher: »So wirkt die Empörung wie Klamauk.«

Ähnlich äußerte sich seine Parteifreundin Jutta Krellmann. Auch sie rief SPD und Grüne auf, dem Vorhaben noch vor der Bundestagswahl zu einer Mehrheit im Parlament zu verhelfen. Die SPD könne so beweisen, »dass sie es mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ernst meint«, sagte die Abgeordnete. Zusammen mit Linken und Grünen hätten die Sozialdemokraten keine Probleme, eine Mehrheit im Bundestag für ihren Vorschlag zu finden.

Seitens der Linkspartei wird diese Karte immer wieder einmal gespielt. Dass die SPD freilich ihrerseits die Vereinbarung mit der Union unterläuft, derzufolge die Fraktionen der Koalitionspartner »einheitlich« abstimmen und wechselnde Mehrheiten »ausgeschlossen« wurden, ist nicht einmal im Wahlkampf zu erwarten. Der linke SPD-Abgeordnete Marco Bülow sagte auf Twitter immerhin, »wenn wir es ernst meinen - dürften wir Unionsanliegen auch nicht mehr zustimmen«.

Die Grünen ihrerseits sprachen von einem »Schlag ins Kontor aller Frauen, die in der Teilzeitfalle sitzen«. Nahles trage aber eine Mitschuld am Scheitern, weil sie das Thema auf die lange Bank geschoben habe, statt es gleich zu Beginn der Wahlperiode auf ihre Prioritätenliste zu setzen. »Nun hat die Union sie ins Leere laufen lassen«, erklärte die Abgeordnete Brigitte Pothmer.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund machte Union und Kapitallobby für das Scheitern verantwortlich. »Statt vor allem Millionen Frauen die Möglichkeit zu eröffnen, Familie und Beruf endlich sinnvoll zu verbinden, beharren die konservativen Kräfte auf Stillstand«, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann. Die Arbeitgeber hätten Vorschläge unterbreitet, die das geplante Gesetz zu einem Placebo gemacht hätten.

Der Gesetzentwurf sah vor, die Rückkehr von Teilzeit in eine Vollzeitbeschäftigung zu erleichtern. Laut Nahles können rund 750.000 Beschäftigte in Teilzeit ihren Wunsch nicht realisieren, die Arbeitszeit zu verlängern. Dies treffe vor allem Frauen, denn 80 Prozent der Teilzeitbeschäftigten seien weiblich. Die Union beklagte allerdings wie üblich in Fragen von Mehr Rechten für die Beschäftigten die Schaffung angeblich bürokratischer Hürden für Unternehmen. Sie wollte das Rückkehrrecht auf große Betriebe ab 200 Mitarbeitern beschränken, während die SPD eine Grenze von 15 Beschäftigten anstrebte. Am Dienstag erklärte Nahles dann, dass die Suche nach einem Kompromiss »auf Druck der Arbeitgeber« gescheitert sei.

»Für viele Frauen ist die Teilzeitarbeit eine Sackgasse. Denn viele Frauen möchten zwar ihre Stundenzahl erhöhen, stecken aber fest«, sagte Schwesig der »Passauer Neuen Presse«. Das habe Auswirkungen auf das Gehalt und auf die Rente. Die SPD werde an dem Rückkehrrecht in Vollzeit dranbleiben. »Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.«

Unionsfraktionsvize Michael Fuchs (CDU) wies Vorwürfe der Sozialdemokraten zurück. »Wir hatten Frau Nahles gesagt, dass wir bereit sind, dieses Gesetz mit ihr zu machen, unter bestimmten Bedingungen«, sagte Fuchs dem Radiosender MDR Aktuell. Eine sei gewesen, dass es nur für Betriebe mit mindestens 200 Mitarbeitern kommen solle. Kleine Handwerksbetriebe hätten das Rückkehrrecht »organisatorisch nicht hinbekommen«. tos/mit Agenturen

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