Salz gegen den Durst

Medizinische Studie widerlegt vermeintliche Volksweisheit. Von Frank Ufen

  • Frank Ufen
  • Lesedauer: 2 Min.

Es scheint sich von selbst zu verstehen: Salzige Kost macht durstig. Je salziger, desto mehr muss man trinken. Doch die vermeintliche Volksweisheit ist wohl nicht mehr zu halten. Zu diesem Schluss jedenfalls kommt ein Medizinerteam um Natalia Rakova von der Berliner Charité. Die Wissenschaftler berichten über ihre Forschungsergebnisse im Fachblatt »Journal of Clinical Investigation« (DOI: 10.1172/JCI88530).

Die Wissenschaftler haben zwei Experimente mit jeweils zehn Probanden durchgeführt, die auf einen virtuellen Flug zum Mars geschickt wurden. Im ersten Experiment mussten die Testpersonen 105 Tage in einer Raumschiff-Attrappe verbringen, im zweiten Experiment dort sogar 205 Tage. Die Versuchspersonen bekamen täglich die gleichen Mahlzeiten, wobei sich ihr Salzgehalt allerdings veränderte. Zunächst wurde den Mahlzeiten täglich 12 Gramm Kochsalz hinzugefügt, danach 9 und schließlich 6 Gramm.

Die Auswertung der Daten ergab den Befund, dass der Konsum von salziger Nahrung zwar für kurze Zeit zur Steigerung des Durstgefühls, zur Ankurbelung der Urinproduktion und zur Erhöhung der Salzkonzentration im Urin geführt hatte. Doch wie sich herausstellte, tranken die Versuchspersonen insgesamt weniger, wenn die Kost salziger war.

Laut Rakova ist damit die herkömmliche Auffassung hinfällig, wonach das Kochsalz aus der Nahrung innerhalb von 24 Stunden mit dem Urin wieder ausgeschieden wird. Stattdessen bleibt es über längere Zeit im Körper, während das aufgenommene Wasser umgehend zu den Nieren und anderen körperlichen Regionen transportiert wird. Und das bedeutet: Der Körper lagert über Wochen und Monate hinweg und unabhängig von der Zusammensetzung der Nahrungsmittel Salz in regelmäßigen Abständen ein und entledigt sich eines Teils davon periodisch.

Doch wodurch wird das Wasser in den Körper getrieben und dort gebunkert? Die Wissenschaftler vermuten, dass Harnstoff hierbei eine Schlüsselrolle spielt. Der verhindert nämlich, dass das Salz in Natrium- und Chloridionen zerfällt und das Wasser, das sie an sich binden, in den Urin befördert wird. »Harnstoff ist nicht nur ein Abfallprodukt, wie wir bisher angenommen hatten. Stattdessen erweist er sich als ein sehr wichtiger Osmolyt - das ist eine Verbindung, die Wasser an sich bindet und so hilft, es zu transportieren. Harnstoff hält das Wasser im Körper, wenn wir Salz ausscheiden. So wird das Wasser zurückgehalten, das sonst durch das Salz in den Urin hineingetragen würde«, erklärt Koautor Friedrich C. Luft.

Die Herstellung von Harnstoff kostet allerdings eine erhebliche Menge an Energie. Es ist also kein Wunder, dass die Testpersonen in der Raumschiff-Attrappe selten Durst verspürten, dafür aber umso häufiger von Hunger geplagt wurden.

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