Die Botschafterin

Ons Jabeur ist die Hoffnung für Profitennis in der arabischen Welt, bei den French Open gelingt ihr bislang Einzigartiges

  • Ulrike Weinrich, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach dem Eintrag in die Tennisannalen lief Ons Jabeur überglücklich über den Suzanne-Lenglen-Court und schwenkte stolz die tunesische Flagge. Die Tragweite ihres Drittrundeneinzugs bei den French Open war der Muslimin an diesem Pariser Sommerabend durchaus bewusst.

»Ich habe keinen Druck verspürt. Ich wollte einfach mich und meine Stoppbälle zeigen«, meinte die Weltranglisten-114. lapidar und scherzte: »Wenn ich gewinne, sage ich immer, ›klar, ich repräsentiere die arabische Welt‹. Aber wenn ich verliere, versuche ich einfach nur, Ons Jabeur zu sein.« Sie war Ons Jabeur an diesem denkwürdigen vierten Turniertag, aber sie repräsentierte »mit Stolz« auch ihre Welt, die im Tennissport bislang noch nicht wirklich präsent war. Durch das 6:4, 6:3 gegen die Weltranglistensiebte Dominika Cibulkova aus Slowakei steht die 22-Jährige aus Monastir als erste arabische Spielerin in der dritten Runde eines Grand-Slam-Turniers. »Es ist ein Traum, ich fühle mich in Paris wie zu Hause, weil mich so viele tunesische Fans von den Rängen unterstützen«, sagte Jabeur.

Kurioserweise hatte sie den Einzug ins Hauptfeld Laura Siegemund aus Metzingen zu verdanken. Weil die Stuttgart-Siegerin wegen ihres Kreuzbandrisses kurzfristig absagen musste, rutschte Jabeur trotz ihrer Niederlage in der dritten Qualifikationsrunde doch noch ins Klassement. »Es ist so etwas wie eine zweite Chance. Vielleicht sollte es einfach so sein«, meinte die Juniorensiegerin der French Open von 2011.

Den Fauxpas, dass eine TV-Anstalt Jabeur gleich mal als Französin ankündigte, nahm sie gelassen hin. Und natürlich kam bei ihrer Pressekonferenz im größten aller Säle die Frage nach dem vierwöchigen Ramadan, der am vergangenen Sonnabend begann. »Ich kann hier nicht spielen, ohne zu essen und zu trinken«, erklärte Jabeur, die in ihrer Heimat als äußerst emanzipiert gilt: »Aber es ist wie ein Kreditsystem. Wenn ich jetzt zwei Wochen esse, hänge ich zwei Wochen fasten an. Ich habe einen Kredit bei Gott, er wird mir hoffentlich vergeben.«

Durch den Drittrundeneinzug bei ihrem Lieblingsturnier hat Jabeur bereits 118 000 Euro sicher. Das ist fast ein Drittel von dem, was sie zuvor in sechseinhalb Jahren als Profi verdiente. Die extrovertierte Tunesierin, die am Freitag im Match um den Sprung ins Achtelfinale auf die Schweizerin Timea Bacsinszky trifft, hatte bis zu ihrem Coup gegen WTA-Weltmeisterin Cibulkova noch kein einziges Match in einem Grand-Slam-Hauptfeld gewonnen. Dabei galt sie in Juniorinnentagen als eines der größten Talente.

Um Ons Jabeur finanziell auf die Sprünge zu helfen, investierte der Tennisweltverband ITF 50 000 Dollar. »Das hat für mich alles geändert. Ich muss jetzt nicht mehr zuerst ans Geld denken und kann mich auf meinen Sport konzentrieren«, sagte sie. Für den Achtelfinaleinzug in Paris gibt es übrigens 200 000 Euro. SID/nd

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