Mehrheit fordert Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan

55 Prozent würden laut Umfrage einen Rückzug begrüßen / Kämpfe zwischen Taliban und IS nehmen zu / Pentagon diskutiert Aufstockung von US-Truppen

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Berlin. Eine Mehrheit von 55 Prozent der Deutschen ist für den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Das ergab eine INSA-Umfrage für die »BILD«-Zeitung (Donnerstag). Nur jeder fünfte Befragte (20,3 Prozent) ist für den Verbleib der deutschen Soldaten in Afghanistan. Bei älteren Menschen sowie Anhängern von AfD (75,2 Prozent) und LINKEN (71 Prozent) war die Ablehnung einer weiteren Stationierung der Bundeswehr in dem von Gewalt gezeichneten Land am ausgeprägtesten, gefolgt von FDP (59 Prozent) und SPD (58,9 Prozent). Bei Anhängern der Grünen (54,6 Prozent) und der Union (49,3 Prozent) ist die Zustimmung zu einem Abzug etwas niedriger.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte kürzlich betont, sie rechne damit, dass die Bundeswehr noch mindestens fünf Jahre in Afghanistan bleiben werde. Seit Ende 2001 sind deutsche Soldaten in Afghanistan im Einsatz. Derzeit stellt Deutschland im Rahmen des NATO-Ausbildungseinsatzes »Resolute Support« (Entschlossene Unterstützung) von den insgesamt etwa 12.000 NATO-Soldaten 941 Soldaten (Stand: 18. April).

Pentagon entscheidet künftig über Truppenstärke in Afghanistan

Unterdessen erhielt US-Verteidigungsminister James Mattis von Präsident Donald Trump freie Hand, um über die Zahl der US-Soldatenam Hindukusch zu bestimmen. Das bestätigte Mattis am Mittwoch bei einer Anhörung im Kongress. Unter Trumps Vorgängern legte das Weiße Haus die Truppenstärke fest. Mattis sagte, die Entscheidung bedeute nicht, dass sich die Zahl der Soldaten sofort ändern werde. Er wolle dem Präsidenten bis Mitte Juli eine überarbeitete Afghanistan-Strategie vorlegen.

Derzeit befinden sich nach Angaben des Pentagons rund 8400 amerikanische Soldaten in Afghanistan. Generäle machen sich seit Monaten für eine Aufstockung stark. Medienberichten zufolge hatte das Verteidigungsministerium vor einigen Wochen erwogen, dem Präsidenten vorzuschlagen, zwischen 3000 und 5000 zusätzliche US-Soldaten nach Afghanistan zu schicken.

Hintergrund sind die schlechte Sicherheitslage in dem Land am Hindukusch und das rasche Erstarken der Taliban. Die afghanische Regierung kontrolliert nach Militärangaben inzwischen nur noch 60 Prozent des Landes; die einheimische Armee ist überfordert.

IS erobert legendäre Tora-Bora-Höhlen von Taliban

Erst am Mittwoch wurde bekant, dass die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Ostafghanistan einen bedeutenden Sieg errungen hat. Nach fast viertägigen schweren Kämpfen habe der IS seinem Hauptrivalen, den radikalislamischen Taliban, am Mittwoch eine strategisch wichtige Festung an der Grenze zu Pakistan abgenommen, sagte ein Mitglied des Provinzrats von Nangarhar, Ustad Israrullah Murad.

Die Felsentunnel von Tora Bora in Nangarhar seien am Mittwochmorgen an den IS gefallen. Viele Menschen seien aus der Gegend geflohen und hätten ihre Ernte im Stich lassen müssen, sagte Murad.

Tora Bora wurde legendär als Zuflucht von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden, der sich dort nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 versteckt gehalten hatte. Zuletzt waren sie an die Taliban gefallen, die im Krieg mit der Regierung landesweit Territorium gewinnen.

Talibansprecher Sabiullah Mudschahid wies die Berichte von der Eroberung ihrer Stellung im Gespräch mit der »New York Times« zurück: Die Kämpfe gingen weiter. Tora Bora sei die Frontlinie zwischen IS und Taliban, bisher sei keine Partei vorangekommen.

Der IS war in Afghanistan erst Anfang 2015 aufgekommen und hatte nie große Kämpferzahlen. Die ostafghanische Provinz Nangarhar blieb seine einzige große Basis. Seit Monaten ist er Ziel zahlloser US-Luftangriffe, und im April hatten die USA in Nangarhar auf IS-Stellungen auch die größte nicht-nukleare Bombe in ihrem Arsenal abgeworfen. Auch die Taliban bekämpfen ihn. Mit Tora Bora verfügt die Terrormiliz nun über eine schwer zu erobernde Stellung. Agenturen/nd

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