Unten im Hof von Herodes

»Salome« in Leipzig

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Keineswegs still und heimlich, sondern mit aller Kraft und ganz offen macht Ulf Schirmer, dessen Intendantenvertrag soeben bis 2022 verlängert wurde, »seine« Oper in Leipzig zum Richard-Wagner- und Richard-Strauss-Haus. Auch wenn er es nicht sagt, und sich (mit wachsendem Erfolg) vor allem um das Haus und die Zuschauer kümmert, macht er damit Dresden Konkurrenz. Ihr »Ring«-Paket haben die Leipziger am Augustusplatz sogar international gut verkauft. Auch den jüngsten Richard-Strauss-Dreier darf man als Erfolg verbuchen.

Eingerahmt von einer gut gemachten »Arabella« und einer bildmächtigen »Frau ohne Schatten« hatte jetzt »Salome« Premiere. Überschattet wurde die Produktion durch den Tod von Ausstatterin rosalie (eigentlich Gudrun Müller) am 12. Juni. Wie immer hat ihre Arbeit auch diesmal einen prägenden Einfluss auf die Inszenierung - obgleich ihr Beitrag nicht so phantasievoll poetisch wie ihre Ausstattung der Dresdner »Frau ohne Schatten« vor 21 Jahren war.

In Leipzig wird die klassische, düster schwüle Hofatmosphäre im Palast des Herodes durch eine steile Wand- und Treppenkonstruktion imaginiert. Die transparenten Verkleidungselemente, die steilen Treppen hinauf auf die Terrasse oder das Autowrack mit dem Springbrunnen anstelle des Motors, gleich neben der Zisterne, in der Jochanaan (kraftvoll: Toumas Pursio) gefangen gehalten wird, die Gitterkäfige voller Steine, wie sie jeder Baumarkt feilbietet: All das ist mehr erfundene Gegenwart als nachempfundene Historie, fügt sich aber doch zu einer Atmosphäre, die mit dem biblischen Nahost wetteifert.

Je näher eine »Salome« mit Hilfe der Kostüme an die Gegenwart herangeholt wird, desto klarer muss sich die Regie zu den Obsessionen im Stück verhalten. Salomes und Herodias’ Zügellosigkeit ist für Jochanaan nur ein Beispiel für das Übel, das durch das Weib in die Welt gekommen ist. Doch kann man diesem Fundamentalisten folgen? Wohl kaum. Bei Aron Stiehl versuchen Mutter und Tochter offensichtlich, fortgesetzten Missbrauch mit dem Ausleben ihrer eigenen Gier zu kompensieren.

Der Inszenierungsklippe des Schleiertanzes weicht Stiehl mit einem Theater auf dem Theater aus, mit dem Salome nachspielt, wie sie als Kind missbraucht wurde. Bei Herodes (Michael Weinius) führt das dazu, dass er sie hinter dem Steinhaufen in die Knie zwingt und offensichtlich in aller Öffentlichkeit missbraucht. So wie Herodias (Karin Lovelius) es mit ihrem Offizier treibt. Und so wie Salome (Elisabet Strid steigert sich da auch stimmlich) dann jede Hemmung fahren lässt und sich mit dem Kopf des Propheten vergnügt, der ihr lebend nur mit Mühe widerstehen konnte.

Das wird alles rampennah und konventionell erzählt. Samt den maßvoll streitenden Juden und einer vergnügungssüchtigen Schickeria. Wenn da auch zwei Männer übereinander herfallen, um die Verworfenheit im Hause Herodes auf den Punkt zu bringen, geht die Szenerie freilich der Moralpropaganda des Propheten auf den Leim. Viel Beifall für alle!

Letzte Vorstellung in dieser Spielzeit am 25. Juni

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