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  • »#SchwarzeSchafe« im Kino

»Dit is Berlin, Alta?«

»#SchwarzeSchafe« hätte ein sehr lustiger Episodenklamauk werden können, scheitert aber auf der Leinwand in fast jeder Hinsicht

  • Maximilian Schäffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Schau hin, das ist Berlin. Schau hin, das ist lustig.
Schau hin, das ist Berlin. Schau hin, das ist lustig.

»#SchwarzeSchafe« hätte, wie sein fast gleichnamiger Vorgänger (ohne den Hashtag), ein selbsternannter Kultfilm aus dem Jahr 2006, ein sehr lustiger Episodenklamauk werden können. Bei Komödien ist es jedoch wie beim Kuchenbacken: Ändert man die Zutaten und Mengen und vor allem das Timing allzu sehr, funktioniert das Rezept nicht mehr. Heraus kommt ein fahler Klumpen oder ein mehliges Disaster. Man braucht sich gar nicht erst geeigneter Vergleiche zu bedienen – der neue »#SchwarzeSchafe« scheitert auf der Leinwand in fast jeder Hinsicht.

Das beginnt beim Filmmaterial. Der Schweizer Regisseur Oliver Rihs drehte das Original überwiegend in schmutzigem Schwarzweiß. Selbstverständlich war diese Kunstfilmoptik genauso wahres Stilmittel wie ironischer Kommentar auf das, was in der Hauptstadt damals noch abging: Garagenästhetik in hohen Kontrasten. Dazu gab es Garagenmusik von King Khan und den Black Lips, die im an die Schönhauser Allee umgezogenen White Trash Fast Food den Berlinern erklärten, welchen internationalen Mittelstandsbratzen mit Amphetaminhintergrund die Stadt gehörte. Zumindest schwitzten sie noch ohne Playback. Zahlten damals schon nichts ins Sozialsystem hinterm Tresen ein, während ihre verdutzten Zuschauer vom kanado-amerikanischen Kulturverschlingen hochgegeilt schon willig, aber zumindest noch bar drei Euro für 0,3 Liter Plopp-Flensburger bezahlten.

Jetzt also Vollfarbe und hässliche Computereffekte, dazu HipHop. Man will nicht widersprechen, so ist es nun mal heutzutage. Aber eben überall! Obwohl geübte Hauptstadtbewohner das Café am Kottbusser Tor sowie den Spielzeugladen in Wilmersdorf sowie den Unverpacktladen an der Wiener Straße sowie den Versagerflughafen wiedererkennen, sind die Begebenheiten, die sich hier abspielen, doch universell geworden. In jeder Metropole gibt es abgeranzte Künstler, mit Drogen handelnde Clan-Familien, Gender-Expats, Mini-Thunbergs und männliche Prostituierte. »Dit is Berlin, Alta?« – Nee, isses nicht mehr. Dit is jede europäische Großstadt. Und jede europäische Großstadt schickt sich 20 Jahre später damit, dieses Elend genauso selbstbewusst auszustellen wie einst das billige Berlin. Kaufhausketten und kahle Plattenbauten am Ufer zum siebenstelligen Preis kamen hinzu, dazu Fahrradstraßen. Man kann Regisseur Rihs den Zustand der Welt nicht vorwerfen, aber er muss sich doch etwas mehr Mühe zur Beobachtung geben, wenn er zumindest lokal lustig sein will.

Der Film aber verlässt sich auf seine offensichtlichen Absurditäten. Clan-Chef Omar (Yasin El Harrouk) trägt zu enge Markenshirts und fährt mit dem Hummer durchs Geschäftsleben. Traditioneller Lifestyle in Nordneukölln, aber Zeiten ändern sich: Sein Neffe Sami (Adrian Kourosh), eine Generation später kein Macker mehr, ist schon genauso queer wie seine Peers. Omars achtjährige Tochter Dalia (Nora Estelle Martha Malachowski) sieht die Klimakleber auf dem iPad, und obwohl die orientalische Prinzessin im Glitzerparadies haust, stellt sie fest, dass ihr Papa ihr die Zukunft klaut. Omar beugt sich dem Druck der Jugend, will den Clan klimaneutral machen. Das ist absurd, klar. Lustig ist es aber nicht, auch wenn jetzt die Rikscha durch den Kiez gondelt statt des Hummers. Ebenso unlustig ist das Kunsttöchterchen Delphine (Jella Haase) mit ihren geschmacklosen Genderpuppen, ihrem Versagerbruder Fritz (Frederick Lau) und den Bienen auf Speed. Ebenso unlustig ist die Fortsetzung von Peters und Charlottes Liebesgeschichte. Denn wer hat den ersten Teil eigentlich noch so gut im Kopf, dass er irgendwelche Anspielungen darauf kapieren würde?

Feixend gemimt und schlecht getaktet verraten und erklären die Aberwitzigkeiten sich von Anfang an und andauernd selbst. Schau hin, das ist Berlin. Schau hin, das ist lustig. Kleines praktisches Beispiel: Charlotte entsorgt die Tatwaffe in der öffentlichen Mülltonne. Hektisch bemerkt sie, dass sie die Pistole ins falsche Fach geworfen hat. Statt in »Verpackungen« gehört die Schusswaffe natürlich in den »Restmüll«. Greift das Eisen aus dem Abfall und sortiert es richtig ein. Guter Gag. Kommentiert werden muss er allerdings mit »So ist es richtig«. So blöd ist kein Zuschauer, nicht mal in Berlin, Alta.

»#SchwarzeSchafe«: Deutschland, 2025. Regie: Oliver Rihs. Buch: Oliver Rihs, Ana Cristina Tarpo, Daniel Young, Ziska Riemann, Melanie Möglich, Oliver Keidel. Mit: Jella Haase, Yasin El Harrouk, Jule Böwe, Frederick Lau, Milan Peschel, Narges Rashidi, Marc Hosemann. 93 Min. Jetzt im Kino.

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