Heirate mich!

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Jetzt kommt sie also doch, die Ehe für alle. Nun gut, die Bezeichnung ist etwas ungeschickt gewählt, weil sie manche Gegner gleichgeschlechtlicher Beziehungen zu allerlei Ressentiment verleitet und ihnen geradezu aufdrängt, empört zur rufen: Was jetzt, auch zwischen und mit Kindern?! Aber den Kern der Sache trifft der Slogan doch: Es geht um die Emanzipation des Menschen. Kein Wunder also, dass man sich auch ganz links außen im politischen Spektrum gegen die Ehe für alle sperrt. Das Recht Homosexueller einander zu ehelichen, führe nicht zum langersehnten Ende der Ehe, diesem antiquierten, anti-emanzipatorischen Modell, und sei deshalb abzulehnen, wird argumentiert.

Es verhält sich bei dieser Frage wie mit der Religion. Es gibt Menschen, für die ist die Religion ein antiquiertes Relikt, das sie gerne entsorgt sähen, zumindest aber in den privaten Raum verbannen würden, weshalb sie die Gleichstellung der Konfessionen oder einen muslimischen Religionsunterricht, ja, jede öffentliche Äußerung des Glaubens als religiöse Indoktrination auffassen.

Den Radikalen ist mit Karl Marx zu begegnen. Der hatte in seiner Schrift »Zur Judenfrage« dem Argument des Linkshegelianers Bruno Bauer, die Emanzipation der Juden im christlichen Staat sei abzulehnen, weil dieser Schritt nur dessen Privilegienstruktur beglaubigen würde und an eine vollständige Emanzipation erst dann zu denken sei, wenn überhaupt keine Religion mehr staatlich begünstigt werde, entgegengehalten: »Die Emanzipation des Staats von der Religion ist nicht die Emanzipation des wirklichen Menschen von der Religion«. Zugleich erkannte er dabei an, dass sich Juden politisch emanzipieren können, ohne sich »vollständig und widerspruchslos vom Judentum loszusagen«.

Die Ehe für alle ist nicht die Emanzipation der Gesellschaft von der Ehe, Homosexuelle können sich aber durchaus emanzipieren, ohne sich vollständig und widerspruchslos von der Ehe loszusagen. Auf den letzten Schritt der menschlichen Emanzipation, die Ehe nur mit sich selbst, müssen wir eh noch lange warten. jam Foto: photocase/David W

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