Die seltsamen Aussagen des Saleh A.

Ein mutmaßlicher Terrorprozess in Düsseldorf, bei dem der Hauptangeklagte gleichzeitig Kronzeuge ist

  • Sebastian Weiermann, Düsseldorf
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Düsseldorfer Altstadt, verwinkelte Gassen, viele Kneipen. Die »Toten Hosen« singen von der »Längsten Theke der Welt«. Abends und an Wochenenden ist das Viertel voller Menschen. Genau hier sollen Saleh A. und seine Mitstreiter einen Anschlag geplant haben.

Das Vorhaben klingt so simpel wie verheerend. In zwei Straßen der Altstadt sollten sich Islamisten mit Sprengstoffwesten in die Luft sprengen. An den Ausgängen der Innenstadt sollten sich weitere Attentäter postieren und mit automatischen Gewehren auf die fliehenden Menschen schießen. Zum Schluss sollten auch sie sich in die Luft sprengen.

Soweit kam es aber nicht. Im Juni des vergangenen Jahres wurden die an der Vorbereitung des mutmaßlichen Attentates beteiligten Islamisten in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Baden-Württemberg verhaftet. Der Hauptangeklagte Saleh A. saß zu diesem Zeitpunkt schon seit vier Monaten in französischer Untersuchungshaft.

Saleh A. hatte sich im Februar 2016 auf einer Polizeiwache in Paris den Behörden gestellt. Er erklärte, dass er ein Mitglied des »Islamischen Staates« sei und einen Anschlag in Düsseldorf plane. Seinen Sinneswandel erklärte A. später den deutschen Ermittlungsbehörden gegenüber damit, dass er Vater sei und nicht wolle, dass seine Tochter ihn nur als Terroristen in Erinnerung behalte. Auch sei ihm der Gedanke unerträglich, für so viel menschliches Leid zu sorgen.

Dabei ist der Lebenslauf von Saleh A., soweit er bekannt ist, mit viel Leid verbunden. Sein Vater sei Syrer und Arzt, seine Mutter Palästinenserin und Apothekerin. Er habe in Gaza-Stadt Abitur gemacht und zwei Jahre Informatik studiert, sagte der 30-Jährige. Dann sei er mit seinen Eltern und vier Geschwistern nach Syrien gegangen. Im Herbst 2011 soll er sich dem Aufstand gegen Assad in Syrien angeschlossen haben. Er wurde Teil einer Untergruppe der »Freien Syrischen Armee«. In dieser Zeit hat A. einen Scharfschützen der syrischen Armee erschossen. Nach seinen Angaben vor Gericht hat er in Notwehr gehandelt. Einem Mithäftling in Deutschland soll er erzählt haben, dass er ein ganzes Magazin seiner Maschinenpistole auf den Scharfschützen abgeschossen habe. A. soll dabei extrem wütend gewesen sein, denn sein Bruder war angeblich zuvor von dem Assad-Soldaten erschossen worden. Auch diese Tat steht in Düsseldorf vor Gericht. Saleh A. wird Totschlag vorgeworfen.

Später ging seine Gruppe zuerst zur islamistischen »Nusra-Front« und dann zum »Islamischen Staat« über. Ab diesem Zeitpunkt werden die Aussagen von Saleh A. zumindest ungewöhnlich. Dem Treueeid auf den IS-Kalifen habe er sich verweigert. Er sei angeschossen und in ein Umerziehungslager gesteckt worden.

Wenig später soll er dann trotzdem vom IS in die Türkei geschickt worden sein, um Routen für islamistische Kämpfer auszukundschaften. In der Türkei will er mit dem Geheimdienst zusammengearbeitet haben, einen Anschlag auf die US-amerikanische Botschaft verhindert und 50 Islamisten verraten haben. Beim IS soll man davon nichts erfahren und Saleh A. nach Europa geschickt haben, um dort Anschläge vorzubereiten.

Abd Arahman A. K., der in Syrien das Bombenbauen gelernt hat, soll ihm zur Seite gestellt worden sein. Mahood B. sollen die beiden in Düsseldorf kennengelernt haben, wo Saleh A. Geld mit dem Handel von Marihuana verdient hat. Beim gemeinsamen Konsum sei B. davon überzeugt worden, sich am Attentat zu beteiligen.

Auch andere Geschichten, die Saleh A. den Ermittlungsbehörden erzählte, klingen abwegig. Die Gruppe soll versucht haben, den Vatikan zu erpressen. Ein entführter italienischer Pater in Syrien diente dafür als Grundlage. Ob dieser Versuch vom IS gesteuert wurde oder wie A. sagt, dazu diente, Geld zu erhalten, um sich von den Islamisten loszusagen, ist strittig.

Richterin Barbara Havliza hat es also mit einem schwierigen Fall zu tun. Der Hauptangeklagte ist gleichzeitig der Belastungszeuge. Die Verteidiger der Mitangeklagten zweifeln die Aussagen von Saleh A. stark an. Bundesanwalt Tobias Engelstätter ist jedoch davon überzeugt, dass die Anklage stichhaltig ist. Deutsche und französische Ermittler seien sorgfältig vorgegangen, und die umfangreichen Aussagen von Saleh A. können nach Ansicht des Bundesanwaltes nicht erfunden gewesen sein.

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