Zäune zu Liegestühlen

Bürger wehren sich gegen schleichende Privatisierung von Grünflächen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir haben alle denselben Gegner, der sich wie eine Krake in der Stadt ausbreitet: die Grün Berlin GmbH«, sagt Margarete Heitmüller von der Initiative »100% Tempelhofer Feld«. Das landeseigene Unternehmen sei ein »Instrument zur Teilprivatisierung des öffentlichen Raums«. Zusammen mit der Bürgerinitiative Kienberg-Wuhletal und weiteren Initiativen bilden sie das Netzwerk »Recht auf Stadtnatur«. Die gemeinsame Kritik: Die Grün Berlin GmbH betreibe eine »Umnutzung des Stadtgrüns hin zu Event- und Tourismusmarketing und weg von einer Grundversorgung der Anwohner mit Kaltluft, Lärmschutz, Artenvielfalt und Erholung«.

Am Sonntagnachmittag war die kleine Gruppe der widerständigen Bürger an der Wuhle entlang des Zauns der Internationalen Gartenausstellung (IGA) unterwegs. An den Fernwärmerohren, die hier verlaufen, plakatierten sie Zitate aus den Nutzungsverträgen des einst frei zugänglichen Geländes. »Weg mit dem Zaun!« lautet die Kernforderung. »Zäune zu Liegestühlen!«, so die Parole, die unters Volk gebracht werden sollte - auch mit Unterstützung von Künstlern. Dazu gehört Adam Page, der im Projekt »Mitte in der Pampa« des Kreuzberger Kunstvereins ngbk die Wechselwirkungen von Zentrum und Peripherie der Hauptstadt künstlerisch bearbeitet.

In der »station urbaner kulturen« am Boulevard Kastanienallee in Hellersdorf wurde anschließend diskutiert. Mit dabei war auch Katalin Gennburg von der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Sie hatte sich im vorigen Jahr gegen die Ausrichtung des Lollapalooza-Musikfestivals im Treptower Park engagiert. »Die ganze Wiese war vier Wochen gesperrt, so auch der einzige Spielplatz im Kiez«, berichtete sie. Die »Absperrung des Kienbergs, den die Menschen sich schon angeeignet haben«, hält sie ebenfalls für ein Problem.

»Marzahn und Hellersdorf sind nun durch diesen Zaun getrennt«, sagte Sabine Büttner, Sprecherin der Bürgerinitiative Kienberg-Wuhletal. Damit sei ein Naherholungsgebiet von 70 Hektar seit 2014 für die Anwohner verloren. »Wenn man sieht, wie wenig auf der IGA los ist, könnten die ja wenigstens einen Teil der Fläche wieder freigeben«, sagte Mitstreiterin Cornelia Kahl.

»Es gibt nicht einmal eine rechtsverbindliche Erklärung, dass der Zaun nach der IGA abgebaut wird«, beklagte Büttner. Allerdings gibt es die Zusage, dass das Gebiet mit Ausnahme der Gärten der Welt wieder frei zugänglich werden würde. Ob mit oder ohne Zaun, lassen die Verantwortlichen auch auf Nachfrage offen.

Nicht nur die privatrechtliche GmbH lässt in den Augen der Initiativen die nötige Transparenz vermissen. Zusätzlich gibt es noch die privatrechtliche Stiftung Grün Berlin. An der Spitze beider Organisationen steht Christoph Schmidt, der bis 2008 die Hamburger HafenCity entwickelt hatte. »Die Organisation führt ein Eigenleben«, sagt Carl Waßmuth von »Gemeingut in BürgerInnenhand«. Besonders kritisch sei die Kombination mit der Stiftung.

Die Anwohner befürchten, dass die IGA die Vorhut für zahlreiche Immobilienprojekte in der Gegend ist. Zu den Großsponsoren der Veranstaltung gehört die Groth Gruppe, ein großer Immobilienentwickler in der Hauptstadt. »Wir haben keine Grundstücke in der Gegend«, winkt Anette Mischler, Sprecherin der Groth Gruppe, ab. »Wir finden die IGA einfach gut.«

Das Misstrauen gegenüber der Grün Berlin GmbH sitzt tief. »Alle Informationen von der Grün Berlin kommen entweder zu spät oder in einer Form, die für uns nicht brauchbar ist«, sagt Christiane Bongartz von der Initiative »100% Tempelhofer Feld«. Sie vermutet System dahinter. »Alle Probleme, die man mit privatrechtlichen Organisationen so hat, hat man auch mit der Grün Berlin«, sagt Waßmuth.

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