Macron: Deutschland muss mehr investieren

Französischer Präsident kritisiert wirtschaftliches Ungleichgewicht in Europa: »Berlin muss sich bewegen« / DIW-Chef: Fehlt politischer Wille bei Merkel?

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Vor Beginn des deutsch-französischen Ministerrats in Paris hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron von Deutschland mehr Einsatz für Investitionen in Europa gefordert. Deutschland müsse für eine »Wiederbelebung der öffentlichen und privaten Investitionen in Europa sorgen«, sagte Macron in einem Interview mit mehreren Zeitungen. Er habe keine Lektionen zu erteilen, sagte Macron den Zeitungen. »Aber wir müssen herausfinden, welches Szenario in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht geeignet ist«, erklärte der Präsident.

Auch DIW-Chef Marcel Fratzscher hat von Deutschland einen großen Wurf bei der Reform der EU und Währungsunion gefordert - auch Frankreich müsse dabei mitziehen. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, dies auf den Weg zu bringen und nicht erst auf die nächste Krise zu warten. Deutschland und Frankreich müssten sich auf eine große Vereinbarung einigen, die »sowohl mehr Solidarität in Europa als auch stärkere gemeinsame Regeln enthält«.

Berlin und Paris hatten Arbeitsgruppen zur Vertiefung der Währungsunion und zur Harmonisierung von Unternehmenssteuern eingerichtet. Allerdings wurden die Erwartungen zuletzt gedämpft - auch weil in Deutschland Ende September gewählt wird. »Meine Sorge ist, dass der politische Wille vor allem auf deutscher Seite fehlt, wirklich zu konkreten Resultaten zu kommen«, sagte Fratzscher der Deutschen Presse-Agentur.

Macron machte zugleich deutlich, dass Deutschland seine wirtschaftliche Stärke »zum Teil den Missständen in der Eurozone« und »der Schwäche anderer Volkswirtschaften« zu verdanken habe. Es bestehe ein wirtschaftliches und kommerzielles Ungleichgewicht zwischen Deutschland und seinen Nachbarn. Zugleich gebe es »eine gemeinsame Verantwortung, damit die Eurozone sich so gut entwickelt, wie sie es verdient«, sagte Macron. »Deutschland muss sich bewegen, so wie sich auch Frankreich bewegen muss«, fügte der Staatschef hinzu.

Macron kritisierte, dass die Eurozone nicht gut funktioniere, weil die Schere zwischen den Ländern immer weiter auseinandergehe. »Die Länder, die bereits verschuldet waren, machen immer mehr Schulden. Diejenigen, die schon konkurrenzfähig waren, sind noch konkurrenzfähiger geworden«, sagte der französische Präsident. Diese Situation sei nicht gesund, »weil sie nicht von Dauer ist«, fügte er hinzu.

Es gehe nicht darum, die früheren Schulden zu vergemeinschaften, sagte Macron den Zeitungen weiter. Vielmehr gehe es darum, für mehr Übereinstimmung und Solidarität innerhalb der Europäischen Union und der Eurozone zu sorgen, »um für die Zukunft stärkere Solidaritätsmechanismen einzuführen«.

Macron sprach sich in dem Interview dafür aus, die Vision Europas zu erneuern und auch die europäischen Verträge zu verändern. Es gehe um ein Europa, das angesichts der Globalisierung Schutz biete und ein neues Gesellschafts- und Wachstumsmodell ausarbeite. »Irgendwann müssen die europäischen Verträge geändert werden, da dieses Europa unvollständig ist«, sagte Macron. »Die Frage ist nicht, ob diese Änderungen nötig werden, sondern wann und wie.«

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Macron leiten am Donnerstag einen deutsch-französischen Ministerrat in Paris. Bei dem Regierungstreffen geht es unter anderem um eine engere militärische Kooperation, um wirtschaftspolitische Fragen und die Bildung. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal