Globale Cyberattacke: Schäden wie bei einem Hurrikan

Eine Studie des Versicherungskonzern Lloyds stellt Szenarien vor / »Extremer« Hackerangriff könnte bis 53 Milliarden Dollar Schäden verursachen

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Schaden künftiger Hackerangriffe könnte vergleichbar mit dem Schaden durch große Wirbelstürme sein. Das hat ein Bericht des größten Versicherungskonzerns Lloyd errechnet. Er hat die Kosten für zwei verschiedene Szenarien eines globalen Cyberangriffs errechnet.

Wenn es um Hackerattacken im Internet geht, dann ist meist vieles unklar. Das betrifft etwa die Zuordnung der Angreifer, deren zweifelsfreie Identifizierung oft kaum möglich ist, und den Schaden, den Angriffe verursachen. Einige Unternehmen und Institutionen bemerken unerlaubtes Eindringen in die Netze gar nicht, andere melden sie nicht aus Angst vor einer Rufschädigung. Wie stark der Schaden in der noch jungen digitalen Infrastruktur oder im »Cyberraum« nach Hackerangriffen tatsächlich ist, dazu sind nur ungefähre Aussagen möglich – im Vergleich zu anderen Bereichen, wo bereits länger Statistiken erhoben werden.

Mitte Mai hatte ein globaler Cyberangriff mit der Ransomware »Wannacry« 200.000 Computer befallen. Neben Privatnutzern waren weltweit auch Konzerne wie Renault und etwa britische Krankenhäuser von der Erpressersoftware betroffen. Bei einer weiteren Welle von Hackerattacken Ende Juni mit einer Verschlüsselungssoftware, die Rechner lahmlegte, wurden vor allem Unternehmen getroffen, bei Milka etwa stand die Produktion tagelang still. Allein in Deutschland entstanden laut Angaben des Bundesamtes für Informationssicherheit (BSI) »Schäden in Millionenhöhe«.

Doch es könnte noch schlimmer kommen. Zwei Szenarien hat der Versicherungskonzern untersuchen lassen. Im ersten attackieren »Hacktivisten« aus politischen Motiven einen großen Anbieter von Cloud-Diensten wie »OneDrive« oder »Amazon Drive«. Sie werden von vielen Firmen und auch privaten Nutzern in Dienst genommen, weil sich für viele der Aufbau einer eigenen Serverstruktur nicht lohnt. Somit wären weltweit viele Nutzer betroffen. Ein großer Cyberangriff könnte 4,6 Milliarden US-Dollar Schaden anrichten, eine »extreme« Attacke sogar bis zu 53 Milliarden.

Damit wäre der Schaden eines großen Cyberangriffs vergleichbar mit dem Jahrhundertsturm Kathrina, der 2005 über die Karibik und die US-Südküste hinweggefegt war und dabei die Millionenstadt New Orleans überflutet hatte. Über 50 Milliarden US-Dollar Schaden hatte der Hurrikan 2005 angerichtet. Das war die Summe, die die Versicherer nach dem Wirbelsturm ihren Kunden zur Begleichung von Schäden auszahlen mussten.

Im zweiten Szenario verliert ein IT-Analyst versehentlich einen Bericht über Sicherheitslücken in einer Software, der dann illegal im Dark Web verkauft und von Hackern ausgenutzt wird, um etwa ein Betriebssystem wie Windows anzugreifen, das weltweit auf 45 Prozent aller Rechner verwendet wird. Hier könnte der Schaden bei einem großen Vorfall 9,7 Milliarden US Dollar betragen, doch im Extremfall könnte er auch bis zu 28,7 Milliarden US Dollar liegen.

Lloyds als Versicherungskonzern will mit dem Bericht mehr Unternehmen dazu bewegen sich gegen Cyberangriffe zu versichern, das empfiehlt der weltgrößte Versicherungskonzern am Ende der Studie offen. Viele deutsche Firmen haben laut einer Studie des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Nachholbedarf bei der Cybersicherheit. Doch auch Lloyd selbst gibt an, zu wenig verlässliche Statistiken über und in einem noch jungen Versicherungsmarkt zu haben. Der Konzern hat auch ein Eigeninteresse, die Prognosen über zukünftige Schäden möglichst genau zu halten: Mit der Eigenforschung der Versicherungskonzerne wird die Höhe der nötigen Rückstellungen berechnet, die Geldsumme also, die im Versicherungsfall ausgezahlt werden muss.

Die Branche muss schon heute mit steigenden Kosten durch Cyberangriffe umgehen. 2016 mussten die Versicherungskonzerne wegen Cyberangriffen einen Betrag von 1,35 Milliarden US-Dollar abschreiben, ein Anstieg von 35 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

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