Beängstigend gut

Englands Fußballerinnen begeistern mit ihren sechs Toren gegen Schottland

Ein Knall - nicht besonders laut, aber alle im Stadion Galgenwaard schauen sich etwas besorgt um. Fragende Blicke, als nur die Lautsprecher kurz knacken. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer zieht auch der Hubschrauber über ihnen auf sich. Trotz Entwarnung der Veranstalter hatte die Nachricht eines möglichen Terroranschlags auf das EM-Spiel der Fußballerinnen aus England und Schottland aus der Vorwoche die Besucher sensibilisiert. Passiert ist in Utrecht nichts. Knallen hörte man es später sogar zuhauf: Viele machten sich einen Spaß daraus, die luftgefüllten, orangefarbenen Klatschstangen platzen zu lassen.

Angst verbreiten gerade auch die Engländerinnen. Keine lebensgefährliche, es geht ja nur um Fußball. »Man muss aufpassen«, warnte aber Markus Högner, Co-Trainer der deutschen Mannschaft, schon vor der Europameisterschaft. Mit dem deutlichen 6:0 gegen Schottland am Mittwochabend hat das englische Team ein Ausrufezeichen dahintergesetzt.

Englands Frauen waren schon bei der ersten EM 1984 dabei, das Finale verloren sie gegen Schweden erst im Elfmeterschießen. 2009 erreichten sie erneut das Endspiel, das Ergebnis: 2:6 gegen Deutschland. Ein anderes Duell mit dem achtmaligen Europameister zeigte dann aber die gute Entwicklung auf der Insel: Bei der WM 2015 gewannen die Engländerinnen das Spiel um Platz drei mit 1:0.

Mark Sampson ist ein Gesicht dieses Erfolgs. Am Mittwochabend konnte er gar nicht mehr aufhören zu strahlen. »Wir feiern heute noch mit unseren Familien und Freunden«, sagte Englands Nationaltrainer. Der 34-Jährige hatte das Team nach dem enttäuschenden Vorrundenaus bei der EM 2013 übernommen. Der dritte Platz bei der WM soll nur der Anfang gewesen sein. »Unser Anspruch ist der Titel!«, sagt er nun bei der EM.

Sampson lässt schnellen, geradlinigen und druckvollen Fußball spielen. Für den Fortschritt seiner Frauen gibt es aber noch einen weiteren, sehr entscheidenden Grund: die englische Liga. Manchester City, Chelsea FC, Arsenal London, FC Liverpool - die großen Klubs beherrschen jetzt auch die Women’s Super League. »In England stellen die Vereine viel Geld zur Verfügung, außerdem besitzen sie eine Top-Infrastruktur«, weiß Markus Högner zu berichten.

In Deutschland ist die Entwicklung ähnlich verlaufen. Bayern München und der VfL Wolfsburg haben die reinen Frauenvereine von der Spitze verdrängt. Auch der SC Freiburg ist auf einem sehr guten Weg. Dennoch gehen aus der Bundesliga sorgenvolle Blicke nach England. »Die englische Liga ist eine Marke, die in den vergangenen Jahren sehr auf sich aufmerksam gemacht hat. Das haben wir in Deutschland verpasst«, kritisiert Karin Danner, Managerin der Münchner Fußballerinnen.

Die guten Bedingungen ziehen viele ausländischen Stars auf die Insel. Mark Sampson profitiert davon und ist »dankbar«, wie er »nd« verrät: »Die gute Ausbildung, der tägliche Vergleich mit den Besten und viele Spiele auf hohem Niveau - das hilft mir sehr.« All seine Spielerinnen kommen aus der heimischen Liga.

Jodie Taylor zum Beispiel: Sie stürmt für die Arsenal Ladies, gegen die Schottinnen traf sie drei Mal. Beim 1:0 setzte sie sich gegen drei Gegnerinnen durch und vollendete überlegt. Ihr zweiter Treffer war ein Abstauber, beim dritten lupfte sie den Ball gefühlvoll über die schottische Torhüterin. Im Mittelfeld brillierte Jordan Nobbs. Mit einem herrlichen Volleyschuss erzielte sie das 5:0. Noch wichtiger aber war ihre Übersicht und die vielen perfekten Pässe. In der Abwehr verteidigte Millie Bright resolut. Die 23-Jährige von Chelsea ist kopfballstark und gut in der Spieleröffnung. Torhüterin Karen Bardsley von Manchester City blieb fehlerfrei zwischen den Pfosten, was im englischen Fußball ja keine Selbstverständlichkeit ist. Da aber die Engländerinnen nicht nur individuell, sondern auch als Team überzeugten schossen sie sich gegen hoffnungslos überfordert Schottinnen in die Favoritenrolle bei dieser EM.

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