Seht her, ich will ein Buch verkaufen

Markus Drescher über Leute, die mit Angst vor Flüchtlingen Geld verdienen

»Wir können nicht allen helfen«. Ach was! So richtig diese Binsenweisheit ist, so wenig hat irgendwer das Gegenteil behauptet. Aber Schauermärchen kommen bekanntermaßen gut ohne Fakten aus. Zumal sich Boris Palmer, grüner Oberbürgermeister von Tübingen, seinen Buchtitel offensichtlich sehr zu Herzen genommen hat - und sich zuallererst selbst hilft. Ein Buch über Flüchtlinge zu Wahlkampfzeiten, versehen mit einem Allgemeinplatz, der suggeriert, dass es mal wieder »unbequeme Wahrheiten« zu erfahren gibt, garniert mit ebenso knackigen wie kalkulierten (Fantasie-)Aussagen in Vorabinterviews: Herrn Palmers Kontostand ist diese Kombination mit Sicherheit nicht abträglich.

Nun könnte man darauf hoffen, dass sich Herr Palmer mit dem Geld endlich, endlich, endlich mal einem Friseur aus diesem Jahrtausend anvertraut (allein damit könnte er wenigstens der Ästhetik helfen), und die Sache damit auf sich beruhen lassen. Allerdings kann man schon die Frage stellen, ob all die Leute, die sich mit der Angst vor einer Zukunft mit Flüchtlingen die eigenen Taschen füllen, einen Deut besser sind, als diejenigen, die solches mit der Angst der Flüchtlinge vor der Zukunft tun. Und viel wichtiger, wie bekommt man die libysche Küstenwache nach Tübingen?

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