Alles für die Start-ups, oder?
Alexander Isele findet, dass eine digitale Vision für die Stadt fehlt.
Lieber spät als nie - dachte sich wohl der Senat, als er sich drei Jahre nachdem die Bundeskanzlerin das »Neuland« Internet betreten hatte, die Digitalisierung auf die Fahnen schrieb. »Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft bietet große Chancen für Berlin«, titelt der Koalitionsvertrag vom letzten Jahr. Seitdem kaum eine Erklärung, kein Pressetermin, in der die Senatoren und der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) nicht von den Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung schwärmen und Start-ups umschmeicheln.
Bloß, es fehlt an einer digitalen Vision. Müller wünscht sich autonomfahrende elektrische Kleinbusse, aber keine Abkehr vom Privatverkehr. Noch als Stadtentwicklungssenator ließ er für den Ausbau der A100 Menschen aus ihren Häusern schmeißen und diese abreißen. Sehr zur Freude der deutschen Autoindustrie - der Müller nun vorwarf, die Zukunft zu verschlafen, da sie noch auf den Verbrennungsmotor setze.
Der Regierende Bürgermeister und die Wirtschaftssenatorin ergötzen sich an Start-ups wie an goldenen Kälbern. In der Hoffnung, dass diese Wirtschaftswachstum kreieren und damit Jobs. Nur, viele dieser Arbeitsplätze lassen schaudern: Eine Schar prekär Beschäftigter erwirtschaftet riesige Gewinne, von denen sie ausgeschlossen sind.
Die Digitalisierung darf nicht den Unternehmen überlassen werden. Dass Problem ist nur: dem Senat auch nicht. Was bleibt, sind die allgemeinwohlorientierten Gruppen und Aktivisten, die ihr Recht einfordern, die Stadt mitzugestalten. Dass wäre aber alles andere als effizient. Basisdemokratische Entscheidungen über den BER? Der Vogel wäre abgeflogen.
Vielleicht wäre das gar nicht das schlechteste. Eine lebenswerte Stadt sollte sich über Teilhabe und Zugang definieren, über eine lebenswerte Umwelt, über Freiraum und Lebensqualität - nicht über Effizienz und Überwachung. Nur die Verwaltung, die sollte dann doch digitalisiert werden.
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