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Und noch mal von vorn, bitte!

Die Eisbären Berlin erreichten das DEL-Halbfinale. Dem Chef war das nicht genug, also leitete er einen Umbruch ein

Wer sich dieser Tage im Wellblechpalast in Hohenschönhausen das Eistraining der Eisbären Berlin ansieht, traut seinen Augen nicht: Es wimmelt nur so von neuen Spielern. Auch den gut 100 Fans auf der Tribüne des »Welli«, die den Trainingsauftakt vom Rekordmeister der Deutschen Eishockey Liga (DEL) nicht versäumen wollen, ist die Verblüffung anzusehen. Denn so mancher Liebling wird vermisst: der 26-jährige Stürmer Laurin Braun beispielsweise, der zwölf Jahre lang das Eisbärentrikot trug und mit der Mannschaft drei Mal Meister wurde, oder der US-Amerikaner Barry Tallackson, der seit 2011 für die Berliner stürmte, zwei Titel holte und eigentlich noch einen gültigen Vertrag bis 2018 besaß.

Seit dem Halbfinalaus am Ende der vergangenen Saison haben die Eisbären jedoch einen Umbruch im Kader, Trainerstab und Management vollzogen. Dessen Ausmaß ist gewaltig, denn selbst das beste Abschneiden seit 2013 reichte dem früheren Serienmeister nicht. Der siebte und letzte Titelgewinn liegt schon vier Jahre zurück. Die Umstrukturierung ist mit großen Hoffnungen für die am 8. September beginnende Saison verknüpft. An diesem Freitagabend stellt sich das runderneute Team zum ersten Saisontest in Weißwasser beim DEL2-Kooperationspartner Lausitzer Füchse vor.

»Wir haben unsere sportliche Situation in enger Zusammenarbeit mit unserem Partner, den Los Angeles Kings, analysiert«, erklärt Geschäftsführer Peter-John Lee den Einschnitt. »Wir haben uns dann von neun Spielern getrennt und sieben neue verpflichtet. Mit diesem Kader, sowie den neuen Strukturen im Management und im Trainerstab sind wir noch besser aufgestellt.«

Kapitän André Rankel zeigte sich beim ersten Eistraining angetan: »Es ist immer anders, wenn neue Spieler da sind. Das gibt neue Impulse und wird uns vorwärts bringen.« Und er lobt den neuen Co-Trainer Clément Jordoin: »Er hat viel Erfahrung und gleich einige neue Übungen mit uns gemacht. Das war unheimlich reizvoll. Gut so, denn wir wollen wieder richtig angreifen.«

Diese Angriffslust wird gerade von den Neuen im Kader erwartet. Es sind Spieler, die fast durchweg ihre Wurzeln in den besten Ligen der Welt, der Nordamerikanischen Hockey League (NHL) oder der American Hockey League (AHL) haben. Stürmer Sean Backman kommt direkt vom Nachwuchsteam der Los Angeles Kings, den Ontario Reign, und hat sich dort in 532 Spielen mit 94 Toren und 150 Vorlagen hervorgetan. Sein Wechsel an die Spree kam aufgrund der engen Kooperation zwischen Los Angeles und Berlin zustande. Auch der aus Kalifornien stammende Verteidiger Danny Richmond spielte einst in der NHL, ehe er 2012 nach Europa ging und zuletzt mit den Adlern Mannheim 2015 deutscher Meister wurde. Überraschend ist die Rückkehr von Mark Olver. Der Mittelstürmer bestritt zwischen 2015 und 2016 schon 43 Spiele für die Eisbären.

Die Topverpflichtung dürfte jedoch die des Kanadiers James Sheppard sein. Der Center spielte 431 Mal in der NHL. Der 29-Jährige verfügt damit über mehr NHL-Erfahrung als jeder andere Profi im neuen Team. »Die Eisbären haben eine große Geschichte und sind ein toller Verein. Das hat mich gereizt«, erzählt er und blickt nach vorn: »Wir werden in den ersten Wochen viel laufen und als Team erst zusammenwachsen.« Sheppard soll die Rolle eines Führungsspielers übernehmen. An seiner Seite könnte der 53-fache deutsche Nationalspieler Thomas Oppenheimer zu einem Topscorer aufsteigen. Er hat sich seit 2006 in der DEL etabliert, 546 Spiele bestritten und stürmte zuletzt beim Konkurrenten in Ingolstadt.

Der komplexe Umbruch bei den Eisbären kommt jedoch nicht von ungefähr. Angesichts der seit vier Jahren anhaltenden sportlichen Misere hat der Klubeigner der Eisbären und der LA Kings, der amerikanische Milliardär Philipp Anschutz, entscheidende Weichenstellungen veranlasst. So machte er Luc Robitaille von den LA Kings zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates in Berlin. Keine Entscheidung werden ohne seinen Segen gefällt.

Zudem übernahm der bisherige Co-Trainer Stéphane Richer, der schon im Laufe der vergangenen Saison nach Berlin gekommen war, übernahm die neu geschaffene Position des Sportdirektors. Der 51-Jährige ist für die komplette Kaderplanung verantwortlich. Der bisherige Sportliche Leiter Stefan Ustorf kümmert sich um das Scouting und Anwerben von Spielern und Talenten für die Eisbären in Europa und Nordamerika.

Auch im Trainerteam gibt es neue Gesichter. Der neue Co-Trainer Jordoin, ein 65-jähriger Kanadier, bringt zwölf Jahre Trainererfahrung aus der NHL bei den Montréal Canadiens mit. Der 45-jährige Steffen Ziesche - Sohn der Dynamo-Eishockeylegender Joachim Ziesche - ist der neue Assistenztrainer, der sich auf die Videoanalyse der jeweils kommenden Gegner konzentrieren wird. Als Torwarttrainer fungiert der 37-jährige Sebastian Elwing, der aus den eigenen Reihen kommt. Und schließlich zog der Fitnesstrainer Jake Jensen auf Empfehlung der Los Angeles Kings nach Berlin.

Ein Umbruch in die Zukunft? Sportdirektor Stéphane Richer antwortet so: »Es ist ein kleiner Umbruch. Jetzt muss jeder erst einmal seine Rolle finden. Das ist ein Prozess. Aber wir haben eine gute Mannschaft zusammen, mit der wir uns in der neuen Saison direkt für die Playoffs qualifizieren können.« Nun probt das neuformierte Team erst mal in der Lausitz und in der kommenden Woche in der Arena am Ostbahnhof beim nach Berlin zurückgekehrten internationalen Sommerturnier gegen HC Sparta Prag und den Schweizer HC Ambrì-Piotta.

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