Dutertes brutaler Antidrogenkampf

8000 Menschen wurden beim Feldzug gegen Rauschgift auf den Philippinen bereits getötet

  • Mathias Peer, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Revolver und zwei Päckchen Shabu finden sich laut Polizeibericht an der Leiche. Shabu heißt die Droge Crystal Meth auf den Philippinen. Wer der Mann ist, der von den Beamten in Manila erschossen wurde, wusste zunächst niemand. Die Einsatzkräfte stellten offenbar nicht viele Fragen, bevor sie ihre Patronen auf ihn abfeuerten. Der Mann habe zuerst geschossen, hieß es seitens der Polizei. Augenzeugen beschreiben das im philippinischen Fernsehen anders: Der Mann habe um sein Leben gebettelt, bevor er aus kurzer Distanz erschossen wurde.

Der Tote im Stadtteil Sampaloc ist einer von Dutzenden Menschen, die in den vergangenen Tagen als Folge des Drogenkriegs von Präsident Rodrigo Duterte ihr Leben verloren. Mehr als 50 Personen wurden bei Polizeirazzien allein zwischen Montag und Donnerstag vergangener Woche getötet. So viele Leichen in so kurzer Zeit gab es noch nie, seit Duterte seine Polizisten auf höchste Aggressivität gegen mutmaßliche Drogenkriminelle eingeschworen hatte.

Der 72 Jahre alte Politiker, der seit einem Jahr auf den Philippinen regiert, hatte gewaltsames Vorgehen gegen Dealer und Süchtige von Beginn an zum Kern seiner Präsidentschaft erklärt: Tausende Kriminelle wolle er töten und in die Bucht von Manila werfen, kündigte der Hardliner bereits im Wahlkampf an: »Die Fische werden fett werden.«

Trotz lauter Proteste von Menschenrechtsaktivisten hielt Duterte seinen Plan ein: Mehr als 8000 Menschen wurden im Rahmen seiner Anti-Drogen-Kampagne getötet. Die meisten durch sogenannte Bürgerwehren, die bei ihrer Selbstjustiz auf keinerlei Widerstand des Staates stoßen. Mehr als 2000 der Toten gehen direkt auf das Konto der philippinischen Polizei. Offiziell heißt es, die Beamten handelten aus Notwehr. Aktivisten der Organisation Human Rights Watch werfen der Polizei hingegen vor, Beweise zu fälschen, um die Tötungen zu rechtfertigen. Tausende Regierungsgegner demonstrierten in Manila gegen den Drogenkrieg.

Über mangelnden politischen Rückhalt können sich die Beamten nicht beklagen: Nach dem verheerenden Großeinsatz zeigte sich Duterte öffentlich erfreut über die Zahl der Todesopfer: Es sollten jeden Tag so viele Menschen getötet werden. »Vielleicht können wir dann beseitigen, woran das Land krankt.«

Tatsächlich gibt es in dem südostasiatischen Staat vor allem in ärmeren Bevölkerungsschichten ein Drogenproblem. Aus Sicht von internationalen Fachleuten ist es aber bei Weitem nicht so extrem, wie Duterte vorgibt. Die rabiate Politik kommt dennoch gut an. Ein Jahr nach seinem Amtsantritt bewerteten zwei Drittel der Philippiner Dutertes Bilanz in einer Umfrage mit »sehr gut«.

Menschenrechtsaktivisten sind inzwischen selber im Visier der Behörden. »Irgendwann werde ich gegen diese Menschenrechtsgruppen wegen Verschwörung vorgehen«, warnte Duterte. »Erschießt sie, wenn sie die Justiz behindern.« Human Rights Watch forderte Duterte auf, die Drohung zurückzunehmen.

Dass eine harte Drogenpolitik politisch opportun sein kann, will nun offenbar auch die Führung im benachbarten Indonesien ausnutzen. Präsident Joko Widodo, der bereits an seiner Wiederwahl in anderthalb Jahren arbeitet, klang zuletzt erstaunlich ähnlich: »Seid hart, besonders mit ausländischen Drogendealern, die Widerstand leisten«, befahl er den Polizisten seines Landes. »Erschießt sie, wir leiden nämlich an einer Drogenkrise«, fügte er hinzu.

Die indonesischen Beamten scheinen dem Auftrag Folge zu leisten: Mindestens 60 mutmaßliche Drogenhändler wurden in diesem Jahr bei Polizeieinsätzen getötet, wie Amnesty International diese Woche mitteilte - mehr als dreimal so viele wie im gesamten Jahr 2016.

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