Ein Amtschef zog das scharfe Schwert

In Hamburg werden bald erstmals Wohnungen bezogen, die gegen den Eigentümerwillen zwangssaniert wurden

  • Volker Stahl, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Hamburger Wohnraumschutzgesetz kann ein scharfes Schwert sein. Mit ihm können Bezirksämter lange Zeit leer stehende Wohnungen gegen den Willen der Eigentümer zwangssanieren lassen und anschließend vermieten. Obwohl in der Hansestadt laut einer kleinen Anfrage der Bürgerschaftsfraktion der Linkspartei dem Mietmarkt derzeit rund 5000 Wohnungen, meist aus Spekulationsgründen, entzogen werden, wurde das Instrument bislang kaum angewendet.

Falko Droßmann (SPD), Leiter des Bezirksamts Mitte, traute sich Ende vorigen Jahres als Erster, ein Objekt im Stadtteil Hamm unter Zwangsverwaltung stellen zu lassen. Und das mit vollem Erfolg, wie sich jetzt zeigt: Der bestellte Treuhänder ließ sechs der acht Wohnungen in der Ohlendorffstraße 15 sanieren. Demnächst ziehen die ersten neuen Mieter ein.

Das innenstadtnahe Hamm hat sich zu einem begehrten Stadtteil gemausert. Viele Studenten sind dort hingezogen, sogenannte Hipster und junge Familien, die den roten Backstein und die grünen Parks schätzen. Auf den ersten Blick erscheint es da umso unverständlicher, dass ein Eigentümer sein Mehrfamilienhaus in der Ohlendorffstraße jahrelang leer stehen ließ. Mehrmals forderte das Bezirksamt ihn auf, sechs unvermietete Wohnungen sanieren zu lassen. Nach der Androhung der Enteignung sagte der Eigentümer zwar zu, seine Wohnungen wieder herrichten zu lassen - doch es geschah weiter nichts. Der Eigentümer reagierte auf Anschreiben, Fristen und Bußgelder jahrelang nicht oder unzureichend und ließ immer nur kleine Reparaturen durchführen. »Die standen in keinem Verhältnis zum eigentlich notwendigen Aufwand. Es reicht nicht, wenn er mal eine Malerrechnung vorlegt«, erklärt der Bezirksamtschef.

Dann platzte Amtsleiter Droßmann der Kragen. Er beriet sich mit dem Mieterverein zu Hamburg und dem Grundeigentümerverein, weil er »keinen gesellschaftlichen Unfrieden« herbeiführen wollte - und verkündete dann: »Jetzt ist Schluss! Verarschen lasse ich mich nicht.« Er entzog dem Eigentümer die Wohnungen vorübergehend und setzte am 1. März einen Treuhänder ein.

Mittlerweile sind die Arbeiten an Fenstern und Sanitäranlagen abgeschlossen, außerdem erfolgt eine Sanierung der Trinkwasserleitungen im Keller, bis August wurden 95 000 Euro investiert. Sehr zur Freude Wohnungssuchender: Das Bezirksamt hatte mehr als 100 gezielte Mieteranfragen für die sechs Wohneinheiten, von denen drei demnächst vermietet werden. Die übrigen Einheiten mit umfangreichem Sanierungsbedarf kommen voraussichtlich Ende des Jahres auf den Markt. Anschließend bekommt der Eigentümer mit den gültigen Mietverträgen das Haus zurück.

»Läuft«, sagt Droßmann mit schelmischem Grinsen, »es gibt sehr viele Fälle, wo wir ähnlich vorgehen, aber noch keinen Fall, wo wir das so durchführen mussten.« Es gebe nun mal ein Wohnraumschutzgesetz, so Droßmann. »Wir sagen den Leuten dann: Mach es - oder wir machen es für dich.« Falko Droßmann hat mit dem »enormen Grundrechtseingriff« einen Präzedenzfall geschaffen. »Das ist keine Enteignung«, betont er, »wir sind aber das einzige Bundesland, das das macht. Wenn es ein Gesetz gibt, aber noch keine Rechtsprechung dazu, dann habe ich als Verwaltung die Aufgabe, den Willen des Gesetzgebers umzusetzen. Das habe ich in diesem Fall getan. Ich wusste gar nicht, dass ich damit etwas Besonderes getan habe.«

Mit seinem Vorstoß erregte Droßmann bundesweit Aufsehen. Der Hessische Landtag und das Berliner Abgeordnetenhaus luden ihn als Referenten ein. Auch in Hamburg kam die Zwangsmaßnahme gut an - bei Grundeigentümer- wie Mietervertretern. »Wenn sich ein Eigentümer so eigenwillig anstellt, dann muss die Behörde zu solch drastischen Maßnahmen greifen«, kommentiert Thorsten Flomm. Der Geschäftsführer des Grundeigentümerverbands Hamburg betont aber: »Die Ohlendorffstraße ist ein Einzelfall.«

Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, lobt dagegen Droßmann sehr: »Da muss erst der dienstjüngste Bezirksamtsleiter kommen, um seinen Kollegen zu zeigen, wie man es macht. Es ist erstaunlich, dass das Beispiel nicht in anderen Bezirken Schule macht.«

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