Ein Auswärtspunkt im Wohnzimmer gefeiert

Dutzende Fans des SV Babelsberg 03 verfolgten Regionalligaspiel lieber im »Karli« als im Luckenwalder Gästeblock / Turbulente Schlussphase endete mit Punkteteilung

  • Katja Herzberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Unerwartet turbulent ging es in der Schlussphase des Regionalligaspiels des FSV 63 Luckenwalde gegen den SV Babelsberg 03 am Sonntagnachmittag zu. Zwei Elfmeter in den letzten zehn Minuten sorgten erst für eine glückliche Wende für die Gastgeber, am Schluss kam Babelsberg dann doch mit einem blauen Auge und einem Punkt davon. 2:2 trennten sich die Brandenburger Fußballvereine am fünften Spieltag.

Auf den Rängen blieb es trotz der Dramatik vergleichsweise ruhig. Das lag vor allem daran, dass viele Nulldrei-Fans auf die Auswärtsfahrt in das nur 50 Kilometer entfernte Luckenwalde verzichteten. Etwa 120 von ihnen verfolgten die Partie im heimischen Karl-Liebknecht- statt im Werner-Seelenbinder-Stadion. Dort wurden insgesamt 609 ZuschauerInnen gezählt.

Unter dem Motto »Wir haben die Faxen dicke!« luden mehrere Fangruppen aus der Nordkurve in ihr »eigenes, sympathisches Wohnzimmer zur gemeinsamen Fanfeier« ein. »Wir wollen mit euch gemeinsam entspannt, in einem angstfreien Raum und ohne Cops feiern«, hieß es in einer Erklärung, die am Freitag veröffentlicht wurde.

Darin begründeten sie ihre Entscheidung mit dem Polizeieinsatz beim Landespokalfinale in Luckenwalde vor eineinhalb Jahren, bei dem mehr als 150 Menschen teils schwer verletzt worden seien, und fehlenden Konsequenzen aus den Ereignissen. Babelsberg gewann das Spiel mit einem ungefährdeten 3:1-Sieg. Als einige Fans mit ihrer Mannschaft feiern wollten, waren sie mit einer Polizeikette auf dem Rasen konfrontiert. Die setzte Pfefferspray, Schläge und Tritte ein, um Fans daran zu hindern, das Spielfeld zu betreten. »Offizielle des FSV 63 Luckenwalde beschuldigten im Nachgang wider besseren Wissens angereiste Nulldrei-Fans, sich bewaffnet zu haben. Diese Lügen hat der Verein bis heute nicht zurückgenommen.« Des Weiteren würden die Verletzten und Traumatisierten immer noch auf eine Entschuldigung warten.

Das Verhalten des FSV 63 Luckenwalde sei »respektlos und gästefeindlich« empfunden. Das habe man erneut beim jüngsten Regionalligaspiel im Mai dieses Jahres erlebt. »Die Situation im Gästeblock hat sich aufgrund der Übernahme des Ordnungsdienstes durch Polizeibeamte sogar noch zusätzlich verschärft«, heißt es. Auch beim heutigen Spiel haben die Fans Polizei im Gästeblock erwartet. Eine erneute Konfrontation mit »uns bekannten und potenziellen Gewalttätern in Uniform« wollte man nicht erleben. Erst Ende Mai befassten sich der Verein SV Babelsberg 03, der Fanbeirat und Fanprojekt anlässlich des ersten Jahrestags der »Schande von Luckenwalde« bei einer Diskussionsveranstaltung mit dem Thema Traumatisierung von Fußballfans.

»Schweren Herzens« habe man sich daher entschieden, an diesem Sonntag nicht nach Luckenwalde zu fahren. An eine »enthusiastische und lautstarke Unterstützung des Teams« sei nicht zu denken gewesen. Umso ausgelassener wurde im »Karli« Fußball geschaut und die zwei Treffer für Babelsberg bejubelt. Erst ein paar Dutzend, im Laufe des Spiels immer mehr Menschen folgten dem Aufruf und genossen bei Bier und Bockwurst – die Veranstalter legten Wert darauf, auch eine vegane Speise anzubieten – den Nachmittag. Wie sonst in Fanblöcken wurden an der Stadionfassade Banner von Fangruppen aufgehängt. Auch Spruchbänder mit der Aufschrift »No Cops! No problems! FCK NOFV!« und »Zuhause is am schönsten« waren zu sehen. Die Organisatoren der Veranstaltung sprachen gegenüber »nd« von einem vollen Erfolg.

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