De Maizières »Erdogan-Style«

Demonstration gegen das Verbot der Internetplattform »linksunten.indymedia.org«

  • Jan Schroeder
  • Lesedauer: 3 Min.

»Eine Internetplattform ist kein Verein. Das Verbot auf Grundlage der Vereinsgesetzgebung ist absolut willkürlich«, sagt Katarina Zimmer (Name geändert), Mitglied einer linksautonomen Gruppe. Deswegen war sie wie mehrere hundert andere Demonstranten am Sonntag in Kreuzberg und Neukölln auf der Straße, um gegen das Verbot der Internetplattform »linksunten.indymedia.org« zu protestieren.

Zwischenfälle habe es bei der angemeldeten Demonstration vom Heinrichplatz in Kreuzberg zum Rathaus Neukölln nicht gegeben, sagte ein Polizeisprecher. Er sprach von rund 450 Teilnehmern. Aktivisten sagten jedoch, dass die friedliche und bunte Demonstration von der Polizei unnötig aufgehalten worden sei. Im Vorfeld habe die Polizei vor Gewalt gewarnt, weil Linke sich für das Verbot angeblich rächen wollten. Auf Bannern war etwa zu lesen: »Freiheit für alle G20-Gefangenen« oder »Wir sind alle linksunten«.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) rechtfertigte das Verbot der Internetseite damit, dass auf der Webseite zu Gewalt gegen Polizeibeamte und Sachen, insbesondere im Zusammenhang mit den Protesten gegen den G20-Gipfel, aufgerufen wurde. Allerdings konnte jedermann anonym Beiträge verfassen. Dazu gibt es seit langem Gerüchte, dass neben Linken auch Nazis und Polizisten unter falschen Namen mitschrieben. Die Verfasser der fragwürdigen Beiträge wurden nicht ermittelt.

»Stattdessen wurde die Pressefreiheit eingeschränkt«, kritisiert Zimmer. Das Innenministerium habe einen Verein konstruiert, um freie Presse zu verbieten und das dann medienwirksam als erfolgreichen Schlag gegen linke, angeblich terroristische Strukturen zu verkaufen, so die Aktivistin weiter. Am Freitag behauptete die Polizei, dass im Zusammenhang mit den Hausdurchsuchungen bei den Betreibern der Seite Waffen entdeckt wurden. Auf Nachfrage mussten die Behörden jedoch zugeben, dass bei den Betreibern von »linksunten.indymedia.org« keine Waffen gefunden wurden. Bei einer weiteren Hausdurchsuchung im »Autonomen Zentrum KTS Freiburg« wurden »zufällig« Schlagstöcke, Zwillen und Elektroschocker entdeckt. Fraglich ist, ob deren Besitz überhaupt illegal ist. Mit der seit dem G20-Gipfel vorherrschenden »Hetzstimmung gegen Autonome und andere Linke im Rücken und den Bundestagswahlen im Blick greift de Maizière durch und präsentiert sich als starker Mann - Erdogan-Style«, nennt das die linke Aktivistin Katarina Zimmer. »Linksunten.indymedia.org« war kein Organisationszentrum autonomer Steinewerfer. Das aber suggeriert das Bundesinnenministerium, wenn es die Webseite in den schwärzesten Farben malt.

Ein anderer linker Aktivist, der seinen richtigen Namen ebenfalls nicht nennen will, irritiert die Schärfe der Anklagen. Er hält das Vorgehen de Maizières in erster Linie für Aktionismus im Zeichen des Wahlkampfes. Man wolle die rechten Wähler besänftigen, damit sie nicht zur AfD abwandern.

Auch Canan Bayram, rechtspolitische Sprecherin der Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus, nahm an der Demonstration teil. »Das Verbot von linksunten.indymedia finde ich nicht in Ordnung. Deswegen bin ich auch auf dieser Demonstration«, sagte die Politikerin, die Hans-Christian Ströbele als direkt gewählte Bundestagsabgeordnete beerben will, der »Berliner Morgenpost«.

Die Teilnahme Bayrams bezeichnete die AfD unterdessen als »Skandal«. Die linksradikale Internetplattform hat derweil angekündigt, »bald wieder zurück« zu sein.

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