Unverzeihlich
Jürgen Amendt zum Auftritt von Karl-Theodor zu Guttenberg bei Anne Will
Politik und Moral vertragen sich nicht immer gut miteinander, das wissen wir; manche moralisch wohlbegründete politische Entscheidung kann das Gegenteil von dem bewirken, was mit ihr eigentlich beabsichtigt war. Insofern ist es durchaus gut begründbar, warum die CSU im derzeitigen Bundestagswahlkampf Karl-Theodor zu Guttenberg, Ex-Verteidigungsminister und Ex-Doktor, politisch wiederbelebt. Der 45-Jährige trat 2011 von allen seinen politischen Ämtern zurück, nachdem bekannt geworden war, dass er seine Doktorarbeit Wort für Wort, Zeile für Zeile plagiiert hatte, was er zunächst leugnete und erst nach öffentlichem Druck nach und nach zugab.
Gut, die Politik hat schlimmere Verfehlungen erlebt und für CSU-Chef Horst Seehofer lässt sich Guttenberg gut in den Wahlkampf einspannen. Wenn das Publikum im Bierzelt einem Betrüger zujubelt und klatscht, und die Medien darüber berichten, ist das eine Sache, wenn aber die ARD die Inszenierung des scheinbar Geläuterten mitmacht, eine andere. Am Sonntagabend saß Guttenberg nach dem »Kanzlerduell« bei Anne Will auf dem Talkstuhl und durfte den Auftritt von Angela Merkel und Martin Schulz kommentieren. Will und die ARD haben Guttenberg die Absolution erteilt - ganz ohne Druck, ganz ohne Not. Das ist unverzeihlich.
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