Lästiges Völkerrecht
Sebastian Bähr über unterschiedliche Auffassungen zur Flüchtlingspolitik
Die Bundesregierung gibt sich große Mühe, die Abschottungspolitik der EU als rechtens darzustellen. Der italienische »Verhaltenskodex« für Seenotretter sei sinnvoll und stehe mit den völkerrechtlichen Vorgaben im Einklang; die unterstützte libysche Einheitsregierung weise man auf die Achtung der Seenotrettung hin, so das Auswärtige Amt in einer Erklärung. Peinlich wird für Berlin die Schönfärberei jedoch dadurch, dass zwei Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages genau das Gegenteil aufzeigen - und sich damit nicht vor einen europaweiten, flüchtlingsfeindlichen Kampagnenkarren spannen lassen. Sowohl der Verhaltenskodex als auch die Störaktionen der Libyer gegen Seenotretter verstoßen laut den Untersuchungen konkret gegen das Völkerrecht. Der Umgang der EU mit Flüchtlingen wird mit dieser Feststellung als genau das gekennzeichnet, was er ist: menschlich, politisch und juristisch höchst fragwürdig. Die Aussagen der Bundesregierung entlarven sich als zynischer Hohn.
Der Widerspruch zwischen humanistischer Selbstdarstellung und rücksichtslosem Handeln lässt sich dank der Gutachten nicht mehr übertünchen. Im Nahmen der Flüchtlingsabwehr sind Berlin, Rom und letztlich auch Brüssel bereit, Fakten zu schaffen. Wenn das internationale Völkerrecht dabei stört, muss es eben geändert - oder ignoriert werden.
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