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Der weltgrößte Automarkt wird unter Strom gesetzt

Auch die chinesische Führung will Pkw mit Verbrennungsmotor verbieten - das Ausstiegsdatum ist noch unklar

  • Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 3 Min.

Frankreich und Großbritannien haben schon eines und bald wohl auch China: ein Datum, ab dem keine neuen Autos mit Benzin- oder Dieselmotor mehr verkauft werden dürfen. Die Führung in Peking hat schon mehrfach in Aussicht gestellt, die Produktion und den Verkauf von Autos zu untersagen, die mit herkömmlichem Brennstoff fahren. Vor wenigen Tagen äußerte der Vizeminister für Industrie, Xin Guobin, zur genauen Planung: »Das Industrieministerium hat nun eine Studie lanciert und arbeitet an einem Zeitplan für unser Land.« Xin versprach, die Details würden »in naher Zukunft« veröffentlicht, und erklärte die doppelte Zielsetzung Pekings: »Diese Maßnahmen werden einen tiefgreifenden Wandel in der Umwelt fördern und sie werden der Entwicklung von Chinas Autoindustrie Schwung verleihen.« Anders gesagt: Erklärtes Ziel ist es, die Reduktion der dramatischen Luftverschmutzung in Chinas Megastädten mit klassischer Industriepolitik zu verknüpfen.

Diese Entwicklung wird natürlich auch im Ausland, speziell von westlichen Autokonzernen und Zulieferern, genau verfolgt. Die Volksrepublik ist ja mit Abstand der größte Automarkt der Welt: Allein im vergangenen Jahr wurden dort 25,5 Millionen Fahrzeuge verkauft.

Ab wann der Bann für Benzin- und Dieselautos greifen wird, ließ Xin noch offen. In Frankreich und Großbritannien ist dies das Jahr 2040 (in Schottland 2032) und in Norwegen sogar schon das Jahr 2025. Letzteres wird derzeit auch in den Niederlanden diskutiert. Ehrgeizig ist mittlerweile sogar Indien: Das südasiatische Riesenland hat als Ziel gesetzt, dass ab 2030 nur noch abgasfreie Fahrzeuge in Verkehr gebracht werden. Die ehrgeizigeren der genannten Daten dürften sich auch für Autofahrer rechnen: Der Thinktank »Bloomberg New Energy Finance« (Bnef) erwartet, dass ab Mitte des kommenden Jahrzehnts der Kauf und Unterhalt von reinen Elek-troautos billiger ist als der von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Grund dafür sind die rapide fallenden Preise für Batterien: Sie sind seit 2010 bereits um knapp 80 Prozent gesunken und sinken weiter. Bnef geht davon aus, dass sich die globale Produktionskapazität für Batterien von heute 103 Gigawattstunden binnen vier Jahren auf 273 Gigawattstunden mehr als verdoppeln wird. Damit sinken auch die Kosten weiter.

Derzeit sind Elektroautos noch ein Nischenmarkt mit weniger als einem Prozent Marktanteil: Von den 84 Millionen Autos, die 2016 weltweit verkauft wurden, können nur 750 000 an der Steckdose betankt werden. Dabei fördern viele Länder den Kauf von Elektroautos mit Prämien und Steuernachlässen oder mit Verkaufsquoten für die Autohersteller. Der größte Markt war auch in diesem Sektor China, wo 330 000 Elektroautos einen Käufer fanden. In Norwegen ist dafür der Anteil am höchsten: Knapp ein Drittel aller Neuwagen hat dort einen Elektroantrieb. In Deutschland wurden vergangenes Jahr hingegen nur 25 000 Stück verkauft - der Anteil an den Neuzulassungen betrug 0,7 Prozent.

Gerade die deutschen Hersteller betrachteten Elektromotoren lange skeptisch. Doch dies scheint sich in den vergangenen Wochen geändert zu haben. »Die Stimmung ist umgeschlagen«, sagt ein ungenannter VW-Aufsichtsrat. »Jetzt erst wird die Dimension des Problems allen bewusst. Es geht um die Zukunft der ganzen deutschen Autoindustrie.«

Sollte China demnächst ein ehrgeiziges Ziel für die Abschaffung von Benzin- und Dieselmotoren für seine smoggeplagten Städte verkünden, dürfte diese Einschätzung noch zutreffender werden. Vizeminister Xin hat es schließlich deutlich ausgesprochen: Ein Ziel der chinesischen Führung ist, den eigenen Autoherstellern »Schwung« zu geben.

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