Ungewissheit für die Piloten

Bei Air Berlin wird detailliert nur über Jets und Streckenrechte verhandelt

  • Burkhard Fraune und Christian Ebner
  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Verzichtet, gehofft, erduldet und gekämpft: Hans Albrecht wählt deutliche Worte für das, was die Mitarbeiter bei Air Berlin seit bald zehn Jahren durchmachen. Seit das erste Sparprogramm kam, auf das immer neue folgten, um die planlos gewachsene Airline zu sanieren. Die viel zitierte Extrameile, man sei sie immer wieder gegangen, bemerkt der Flugkapitän bitter. Denn nach der Pleite sieht es für viele der über 8000 Beschäftigten nicht gut aus: Mit dem Verkauf drohen Gehaltseinbußen oder sogar der Arbeitsplatzverlust.

Stundenlang beugten sich am Donnerstag die Gläubiger über die Kaufangebote für Air Berlin - am Ende kam heraus, was viele erwartet hatten: Lufthansa soll den größten Teil von Air Berlin erhalten, außerdem kommt Easyjet zum Zug, wahrscheinlich auch die Thomas-Cook-Tochter Condor. Das ist noch nicht beschlossen, aber mit diesem Ziel wird weiter verhandelt.

»Streckenrechte, Slots, Flugzeuge, alles scheint für ein geordnetes Verfahren vorbereitet zu sein«, schimpft Pilot Albrecht in einem Brief an das Management, in dem er sich den Frust von der Seele schrieb. Nur die Belegschaft lasse man im Unklaren.

Machten sich die Gewerkschaften bis dahin Sorgen vor allem um die 1200 Beschäftigten in der Berliner Verwaltung sowie um etwa 850 Techniker in Berlin und Düsseldorf, ist nun auch das Langstreckenpersonal in Bedrängnis: Für diesen Geschäftsbereich der maroden Airline scheint sich kein Bieter zu interessieren. Sie konzentrieren sich wohl auf das Kurz- und Mittelstreckenangebot sowie auf Ferienflieger.

Bei der Langstreckenflotte der Air Berlin ist inzwischen auch nicht mehr allzu viel zu holen. 10 der 17 betagten Jets muss das Unternehmen am Montag an die Leasingfirma zurückgeben. Statt auf die übrigen Flieger zu bieten, haben sich Condor und die Lufthansa-Tochter Eurowings offenbar darauf eingestellt, den frei werdenden Markt mit eigenen Maschinen unter sich aufzuteilen. Beide Gesellschaften starten schon in diesem Winter ab Düsseldorf, die Lufthansa-Tochter hat zudem Flüge aus Berlin und München angekündigt und will ihre Flotte in den kommenden Monaten deutlich ausbauen - auch ohne die Airbus-Jets der Air Berlin.

Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) hat bei Air Berlin nach eigenen Angaben dafür gesorgt, dass nicht gleich eine ganze Gruppe von rund 200 Piloten unmittelbar vor der Entlassung steht. Die Piloten der Langstreckenmaschinen vom Typ Airbus A330 hätten bis auf wenige Ausnahmen auch Lizenzen für die kleinere A320-Familie, sagt VC-Sprecher Markus Wahl. Mit dem Unternehmen habe man verabredet, dass sie im Fall eines Verkaufs genauso behandelt werden sollen wie ihre Kollegen aus den Mittelstreckenjets. Längst seien nicht mehr nur die besonders gut bezahlten Piloten der 2007 übernommenen Gesellschaft LTU auf der Langstrecke unterwegs, sagte Wahl.

Anders als beim Kabinenpersonal wissen die Piloten noch nicht, welche Bedingungen sie im Falle eines Wechsels erwarten. Die VC hat, anders als UFO und ver.di, bei Eurowings noch keinen Tarifvertrag über Wechselkonditionen unterschrieben. Auf jeden Fall verhindern wolle man das »Rosinenpicken«: dass sich jeder Pilot einzeln beim neuen Arbeitgeber bewerben müsse. Alte, teure oder aufmüpfige Piloten könnten aussortiert werden, fürchtet die Gewerkschaft und fordert bislang vergeblich eine Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten.

Bisher bot Air Berlin zahlreiche Langstrecken an, vor allem ab Düsseldorf und Berlin. Einige Ziele fliegt die Gesellschaft auch mit Partnern aus der Allianz Oneworld an - zum Beispiel British Airways, Iberia, Japan Airlines, Cathay Pacific, Qantas und Qatar Airways. So flogen Air-Berlin-Kunden bis Südamerika, Asien, Afrika und mit Etihad nach Aus- tralien.

In den vergangenen Monaten hat Air Berlin sein Langstreckenangebot merklich ausgedünnt. »Verlustbringer« lautete knapp die Begründung. Die letzte Langstrecke in der Hauptstadt fällt in einer Woche weg.

Und so waren es die Langstreckenpiloten, die im Zentrum der massenhaften Krankschreibungen in der vergangenen Woche standen. Mehr als 200 Flüge fielen aus. Ähnliches ist bislang zwar nicht in Sicht. Aber am Berliner Flughafen Tegel wappnen sich die Betreiber schon für weitere Ausfälle. dpa/nd

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