Als Geldkurier zur Tante nach Kanada

Serbiens Justiz stellt Korruptionsermittlungen gegen Verteidigungsminister Wulin ein / Journalisten bringen den Minister in Erklärungsnöte

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf der Suche nach dem Goldesel auf Erden scheint im bitterarmen Serbien mit Verteidigungsminister Alexander Wulin ausgerechnet ein hoher Würdenträger endlich fündig geworden: Denn wenn das Manna nicht vom Himmel fällt, hilft auch im angeschlagenen Balkanstaat zur Not immer eine Erbtante im fernen Nordamerika. Schlappe 770 Euro beträgt das karge Salär eines Ministers beim EU-Anwärter Serbien - fast das Doppelte über dem statistischen Durchschnittsverdienst. Zwar hatte der heute 44-Jährige schon in der Ära des einstigen Autokraten Slobodan Milosevic politische Karriere gemacht. Doch ein kostspieliger Immobilienkauf weckte 2012 das Interesse von Serbiens Agentur zur Bekämpfung der Korruption: Fast eine Viertelmillion Euro ließ sich der damalige Abgeordnete den Kauf einer Luxuswohnung in Belgrad kosten.

Bei der Frage nach der Herkunft seines Vermögens für den Immobilienkauf gab sich der Chef der mit der regierenden SNS verbandelten Bewegung der Sozialisten weitaus wortkarger als bei seinen nationalistischen Ausfällen gegen Serbiens einstige Kriegsgegner. Zunächst erklärte er, seinen neuen Palast mit dem Verkauf einer Einzimmerwohnung in Novi Sad finanziert zu haben. Doch deren Ertrag betrug nicht einmal ein Fünftel des Kaufpreises seiner neuen Luxusbehausung. Danach zauberte er eine Tante seiner Frau in Kanada aus dem Hut: Diese solle ihn 205 000 Euro für den Häuserkauf geborgt haben.

Bis auf eine nur von seiner Frau unterschriebene Erklärung vermochte der Rumpelpatriot jedoch keinerlei Belege für den behaupteten Geldtransfer aus Kanada vorzulegen. Serbiens Korruptionsbekämpfer zeigten den damaligen Arbeitsminister 2015 wegen des Verdachts unrechtmäßig erworbenen Vermögens an. Fast zwei Jahre ließ die von der Regierung kontrollierte Justiz den Fall in der Schublade schlummern, bevor sie kürzlich die Ermittlungen einstellte.

Doch die Journalisten des Internetportals KRIK ließ der vermeintliche Kreditsegen der Tante in Kanada nicht ruhen. Bei deren Frage, wie er denn das Geld ins Land gebracht habe, wo doch jeder Barbetrag über 10 000 Euro dem Zoll gemeldet werden müsse, antwortete der Minister vergangene Woche genervt: »Wer sagt Ihnen denn, dass das Geld auf einmal eingeführt wurde? Und nicht jeweils 9000 Euro laut Gesetz?« Auf die Nachfrage, ob er den Kredit tatsächlich gestückelt ins Land gebracht habe, reagierte er unwirsch: »Das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«

Nicht nur wegen des Füllhorns der großzügigen Tante hat sich der Minister mit den erstaunlichen Erklärungen zu seinen Zolltricks zum Gespött der serbischen Internetwelten gemacht. 23-mal hätte der Minister zur Tante reisen müssen, um deren Leihgabe gestückelt ins Land zu schaffen, rechnen Spötter vor. Das Wochenblatt »NIN« hat ausgerechnet, dass der Minister auch bis Erreichen des Rentenalters in 20 Jahren mit seinen Bezügen deutlich weniger verdienen werde als die angeblich geborgte Summe: Selbst die Konsolidierung der Staatsfinanzen werde Belgrad leichter fallen als Wulin das Abstottern des Kredits der Tante.

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