Der Sektkelch auf dem Elbhang

Dresdens Stadtrat erwärmt sich für die Wiedereröffnung des Fernsehturms

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Architekten des schlanken Turms, der auf dem Elbhang oberhalb des Dresdner Ortsteils Wachwitz aufragt, wurden von einem Sektkelch inspiriert. Eigentlich hatte der Bau, den die Architekten Anfang der 1960er Jahre entwarfen, nur den Rundfunk- und Fernsehempfang in der Region um Dresden verbessern sollen. Doch als Hülle für die Sendetechnik schufen sie ein Bauwerk, das für seine Schönheit gerühmt wurde und heute als markantes Zeugnis der Ostmoderne in der Architektur gilt. Dieser werde oft »zu wenig Respekt entgegen gebracht«, sagt André Schollbach. Und allzu viele Bauwerke aus der Zeit, fügt der Dresdner Ratsfraktionschef der Linkspartei hinzu, »gibt es hier ja auch nicht mehr«.

Deshalb soll der Fernsehturm erhalten werden - und zwar nicht nur als großer Sendemast, sondern als Ausflugsziel für Einwohner und Touristen. Seit Jahren müht sich ein Verein, die seit 1991 nicht mehr zugängliche Aussichtsplattform wieder zu öffnen und das Turmcafé in Betrieb zu nehmen. »Wo immer man sich in Dresden umschaut - der Fernsehturm ist dabei«, sagt Vereinschef Eberhard Mittag zur Prominenz des Gebäudes. Lange Zeit schien das Unterfangen dennoch ohne Aussicht auf Erfolg. Die Eigentümergesellschaft Deutsche Funkturm, eine Tochter der Telekom, zeigte kein Interesse; zu den Kosten einer Wiederbelebung kursierten entmutigend hohe Summen. Der Verein indes gab nicht auf und sammelte über 30 000 Unterschriften.

Jetzt zeigt sich erstmals ein Lichtstreif am Horizont über Wachwitz. Auslöser ist eine von der Stadt, der Funkturm GmbH und Sachsens Staatskanzlei in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie. Diese sollte die Umsetzbarkeit von Ideen untersuchen, die der Verein entwickelt hatte. Zwar bestätigt das Papier, dass die Hürden hoch liegen: Selbst die einfachste Variante wäre 15,5 Millionen Euro teuer und würde dauerhafte Betriebszuschüsse erfordern; kühnere Ideen verschlängen 61 Millionen Euro und stießen auf rechtliche Hürden. Doch die Debatte, zuletzt bei einer Einwohnerversammlung, verschafft den Plänen Rückenwind - und viel Unterstützung im Stadtrat.

Minimalziel des Vereins ist es, Aussichtsplattform und Turmcafé wieder zu öffnen, wofür die 2005 ausgebauten Aufzüge ersetzt werden müssten. Damit ließen sich Schätzungen zufolge 230 000 Besucher anziehen - was aber allenfalls eine »kleine schwarze Null« ergebe, wie in einem Konzept eingeräumt wird. Deshalb träumt man von einem »Televersum« getauften Bau am Fuß des Turms, das Wissenschaft populär vermitteln soll. So könnten 400 000 Besucher im Jahr angelockt werden. Um sie zu befördern, wird der Bau einer Seilbahn über die Elbe erwogen - ein Plan, der in der DDR nicht umgesetzt wurde.

Die Autoren der Machbarkeitsstudie sind skeptisch, weil die Seilbahn über private Grundstücke und geschützte Landschaften führen würde. »Da sehen wir zunächst keine Genehmigungsfähigkeit«, sagt Christian Glaser vom beauftragten Planungsbüro. FDP-Stadtrat Holger Zastrow appelliert indes an den politischen Willen. Er verweist auf die gut 100 Jahre alte Schwebebahn am Blauen Wunder: »So etwas dürfte man heute nicht mehr bauen.« Schollbach indes mahnt, man solle sich »auf das Realistische beschränken« - sprich: Café und Plattform.

Entscheidend für die Zukunft des Turms wäre in dem Fall, ob die Stadt gewillt ist, dauerhaft Zuschüsse zu zahlen. Die SPD ist dafür: Auch Einrichtungen wie der Zoo oder das Festspielhaus Hellerau erhielten Zuschüsse, sagt Finanzexperte Thomas Blümel. Der Fernsehturm habe eine »große Symbolwirkung«. Das sieht Vereinschef Mittag ähnlich: Es wäre ein »einendes Thema« in einer Stadt, die sich zuletzt über die Waldschlösschenbrücke heillos zerstritten hatte.

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