Mit Glyphosat ist nicht zu spaßen

Wissenschaftler kritisieren einen Report des Bundesinstituts für Risikobewertung

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 3 Min.

»Dieses Plagiat berührt die Gesundheit von 500 Millionen EU-Bürgern«, fasst der Toxikologe Peter Clausing zusammen, als er die Forschungsergebnisse über den Report des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zur Zulassung von Glyphosat in der Europäischen Union vorstellt. Das BfR arbeitet im Auftrag der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) und prüft Chemikalien vor ihrer Zulassung für den europäischen Markt. Brisant an dem Report zur Risikobewertung des Pestizids Glyphosats ist, dass die Behörde seitenweise Informationen aus Studien von Monsanto übernommen hat, ohne dies kenntlich zu machen oder die Quelle anzugeben. Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass das BfR Glyphosat als nicht krebserregend einstuft.

Helmut Burtscher-Schaden stolperte bei der Recherche für sein Buch »Die Akte Glyphosat« über die von Monsanto kopierten Inhalte im Bewertungsbericht des BfR. »Zu Beginn war mir eine Textpassage aufgefallen, die mir bekannt vorkam«, erläutert der Autor. Anschließend habe er sich mit seinem Verdacht an den Plagiatsprüfer Stefan Weber gewandt. Dieser überprüfte dann 103 von insgesamt 4322 Seiten des Reports. Zugrunde lagen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis, zu denen sich das BfR im Jahr 2014 bekannt hat. Dabei konzentrierte sich Weber auf besonders relevante Kapitel, welche Gesundheitsgefahren wie Genotoxizität, Krebs oder die Schädigung der Fortpflanzung behandeln. Das Ergebnis: Auf den geprüften Seiten wurden zu 90 Prozent Inhalte von Monsanto-Studien übernommen, ohne das dies kenntlich gemacht wurde. Weber kündigte an, weitere Kapitel des Berichts auf Plagiate zu prüfen. Nach einer ersten maschinellen Prüfung des gesamten Reports gehe er davon aus, dass insgesamt 50 bis 60 Prozent des Berichts Plagiate sind. Das Gutachten ist online auf der Homepage der Nichtregierungsorganisation Global 2000 abrufbar. Clausing, der sich seit langem mit Glyphosat beschäftigt und Mitglied des Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) ist, kritisiert, dass das BfR »Falschdarstellungen der Industrie übernimmt«.

Der Grünen-Abgeordnete Harald Ebner zieht das politische Urteil, dass die »wissenschaftliche Grundlage zur Zulassung von Glyphosat entzogen« ist. Er fordert jetzt eine neue Bewertung von einer unabhängigen Stelle und hofft, dass die EU-Kommission ihren Vorschlag über die Zulassungsverlängerung von Glyphosat selbst zurückzieht. Andernfalls müssten sie die Mitgliedsstaaten durch ein deutliches »Nein« dazu zwingen, so Ebner. Im Programm der Grünen steht, dass sie sich für den Verbot von Glyphosat einsetzen. Hinsichtlich der aktuellen Koalitionsverhandlungen sagt Ebner dem »neuen deutschland«: »Ich kann diese Verhandlungen nicht nach außen verlegen, aber wir stehen zu unserem Programm.«

Burtscher-Schaden ist zuversichtlich, dass es nach dem Plagiatsgutachten keine Zulassungsverlängerung der EU-Kommission von Glyphosat geben wird. Zudem kam die Internationale Krebsforschungsagentur, die zur Weltgesundheitsorganisation gehört, zu dem Ergebnis, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend ist. »Kein Politiker kann sich nach diesen öffentlich zugänglichen Informationen für die Zulassung von Glyphosat aussprechen«, so Burtscher-Schaden. Wenn die EU-Kommission auf Basis des BfR-Berichts Glyphosat dennoch zulasse, »wird unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder an Monsanto verkauft«.

Derzeit gibt es zehn Anzeigen aus der EU gegen Monsanto, etwa von einem Paar aus Frankreich, das ein behindertes Kind zur Welt gebracht hat. Die Mutter hatte in den ersten drei Schwangerschaftswochen Glyphosat zur Unkrautbekämpfung verwendet.

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