Noch längst keine Überflieger

Deutschland darf nach dem 3:1 in Nordirland zur Fußball-WM fahren

  • Marco Mader und Oliver Mucha, Belfast
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Bierchen im Pub auf die makellose Qualifikation? Nicht mit Joachim Löw! »Das wäre nicht so professionell«, sagte der Bundestrainer, nachdem der letzte Schritt Richtung Russland beim 3:1 (2:0) in Nordirland zur nächsten Glanznummer geraten war. Stürmer Sandro Wagner verabschiedete sich also brav nur mit einer Saftschorle in die Nacht von Belfast, Weltmeister Mats Hummels trank Wasser zu seiner Banane, und Löw selbst verzichtete auf seinen Rotwein.

»Nüchtern« also gestaltete sich die Regeneration am Freitag noch in Belfast, bevor die deutsche Fußballnationalmannschaft am Nachmittag nach Frankfurt am Main zurückflog. Löw hält beim Team um den Strategen Sebastian Rudy die Zügel straff. Er dachte da schon an die nächsten Aufgaben: den Abschluss am Sonntag (20.45 Uhr) in Kaiserslautern gegen Aserbaidschan und eine Rekordqualifikation mit zehn Siegen. Vor allem aber an die Mission Titelverteidigung 2018, dieses laut Löw »übermenschliche« Unterfangen.

Bis dahin, betonte der Bundestrainer, warte noch »viel Arbeit« auf den Weltmeister. So muss einerseits nach der WM-Gruppenauslosung am 1. Dezember im Kreml die Quartiersfrage geklärt sein - zur Debatte stehen weiter Moskau und Sotschi. Das gilt zum anderen aber auch sportlich. »Unsere Mannschaft muss sich Richtung Turnier weiter verbessern«, mahnte Löw: »Es kommen ganz andere Gegner auf uns zu - bei allem Respekt vor Nordirland.« Neben in Russland drohenden Gruppengegnern wie Frankreich, Spanien, Italien oder England zählt Löw Brasilien um Superstar Neymar und das noch nicht qualifizierte Argentinien zum Favoritenkreis.

Und die Deutschen? »Nach Russland fahren wir, um was zu reißen. Wir wollen den WM-Titel dort unbedingt erfolgreich verteidigen«, sagte Rudy, der den Weg nach Moskau mit seinem Traumtor nach 78 Sekunden endgültig geebnet hatte. Der starke Wagner (21.) und der nicht minder gute Joshua Kimmich (86.) regelten vor 18 104 Zuschauern im wie immer stimmungsvollen Windsor Park den Rest.

Die makellose Qualifikationsbilanz soll mit dem zehnten Sieg am Sonntag vergoldet werden, einer Marke, die bislang nur Spanien auf dem Weg zu seinem WM-Triumph 2010 erreichte. »Es wäre ärgerlich, sich die Bilanz zu Hause gegen Aserbaidschan zu versauen«, sagte Hummels. »Unglaublich konstant und souverän«, habe sich die DFB-Elf präsentiert, »wir haben nicht immer gezaubert, waren aber immer da«. Teammanager Oliver Bierhoff sagte, man dürfe »wirklich stolz« sein auf dieses »Ausrufezeichen«.

Dabei schwang jedoch ein Aber mit. »Wir dürfen es nicht überbewerten«, betonte Bierhoff - es ging ja »nur« gegen Nordiren, Tschechen, Norweger. »Ich glaube schon, dass die Welt auf uns schaut. Wir müssen aber aufpassen, dass wir nicht glauben, dass es ein Selbstläufer ist.« Und Bundestrainer Löw fügte hinzu: »Es kommen Spiele mit ganz anderem Tempo, anderer Intensität, da muss man auch anders verteidigen.« Anders als beim Gegentreffer in der Nachspielzeit durch Josh Magennis etwa.

Und doch: Joachim Löw ist es gelungen, seiner Mannschaft nach der holprigen EM-Qualifikation und der nur phasenweise überzeugenden EM 2016 wieder Biss zu verleihen - auch dank neuer, hungriger Spieler. »Eine Mannschaft aus Weltmeistern und Confed-Cup-Siegern wächst zusammen«, sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel nun. Jerome Boateng meinte nach seiner Rückkehr: »Man sieht, dass sehr viel Qualität da ist, auch die Jungen kommen nach.« Im Angriff habe die Mannschaft nun »mehr Möglichkeiten«.

Löw will diese im November und März bei Testspielen gegen England, Frankreich, Spanien und Brasilien weiter ausloten. Gegen »Mannschaften, die auf starkem Niveau agieren«. Ab Ende Mai wird er seinen 23 Auserwählten dann in Südtirol »den Feinschliff« geben. Und dann? »Wir haben gezeigt, dass wir die Qualität haben und einen guten Geist. Das macht uns Hoffnung, dass wir gut gewappnet nach Russland gehen«, sagte Manager Oliver Bierhoff. SID/nd

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