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Porno? No!

Debatte um »Tatort«-Folge »Hardcore«

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Pornodreharbeiten, Gruppensex, Sperma im Planschbecken - aus Sicht des Bayrischen Rundfunks (BR) ist die jüngste »Tatort«-Folge »Hardcore« aus München am Sonntagabend nicht jugendgefährdend und die Aufregung darüber unbegründet. »Ich kann durchaus verstehen, dass man sich über Pornografie empört«, sagte die zuständige BR-»Tatort«-Redakteurin Stephanie Heckner in einem Interview mit dem eigenen Sender. Nach BR-Angaben haben sich allerdings lediglich 20 Zuschauer negativ beim Sender geäußert.

In Teilen der Medien wurde der »Tatort« dagegen kritisiert. Ausgelöst wurde die Debatte von der Boulevardzeitung »Bild«, die bereits Ende vergangener Woche mit Schlagzeilen wie »Warum gilt dieser ›Tatort‹ als jugendfrei?« vor dem aktuellen ARD-Krimi warnte und schon vorher wusste: »Mit diesem ›Tatort‹ versaut uns die ARD den TV-Sonntagabend!« Auch nach Ausstrahlung des »Tatorts«, in dem die beiden Münchner Ermittler Batic und Leitmayr den Mord an einer Pornodarstellerin aufklären mussten, feuerte das Springer-Blatt die Empörungsmaschine weiter an (»Was sagen Promis über den Porno-Fall«, »So hat die ARD uns den ›Tatort‹ versaut«, »Verstört brutaler TV-Sex mein Kind?«) und behauptete einen Skandal, der eigentlich keiner ist.

Andere Medien folgten dem Leitwolf »Bild«. Sexszenen seien in »Hardcore« zwar nur andeutungsweise zu erkennen, und die Pornobranche komme tatsächlich ziemlich schlecht weg. Aber nackte Haut sei regelmäßig zu sehen gewesen, und in den Gesprächen über die Pornoszenen sei es durchaus ins Detail gegangen, wurde vielfach kritisiert. Empörung herrschte vor allem im rechtspopulistischen Milieu. Tenor: Ein »Hardcore-Porno« sei mit »GEZ-Zwangsgeldern« finanziert worden.

»Der ›Tatort‹ greift immer wieder gesellschaftlich brisante Themen auf. Dazu gehört auch die Sexualisierung unserer Gesellschaft und der erschreckend hohe Pornokonsum mitsamt seinem zugehörigen Vokabular«, erklärte dazu der Bayerische Rundfunk. »Was ich nicht verstehe, ist, dass man sich darüber empört, dass es im ›Tatort‹ thematisiert wird«, sagte BR-Redakteurin Heckner. »Pornografie ist millionenfach im Netz präsent und wird millionenfach genutzt. Und das alles ist für Kinder leicht zugänglich. Darüber sollte man nicht schweigen.«

Der Sender verwies darauf, dass es von Anfang an eine enge Abstimmung zwischen der »Tatort«-Redaktion und der BR-Jugendschutzbeauftragten gegeben habe, die auch in der abschließenden Beurteilung des Films zu der Einschätzung führte, dass der Film für Jugendliche ab zwölf Jahren geeignet sei. Den Machern des »Tatorts« sei es darum gegangen, mit einem nicht voyeuristischen Blick auf die Branche zu erzählen, wie zerstörerisch das Geschäft mit dem Porno sein könne. »Wir haben uns des Themas mit einer aufklärerischen Haltung angenommen und dabei sehr genau auf die Grenzen dessen geachtet, was wir visuell ins Bild setzen.«

Regisseur Philip Koch (35) hatte vor der Ausstrahlung im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur erklärt: »Wir wollten nicht lange sexuelle Darstellungen zeigen, sondern es sollte so viel wie möglich der Vorstellung jedes Zuschauers überlassen bleiben.« Er habe als Vergleichsmaßstab gewählt, was auf der Gewaltebene im Fernsehen zu sehen sei. »Das ist oft viel schlimmer, als Sexualität zu zeigen. Ich finde es ziemlich fragwürdig, dass das Thema Sex oftmals viel stärker tabuisiert wird als zum Teil sehr explizite Gewaltdarstellungen.« (mit dpa)

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