Stimmungstest für neue Regierung in Skopje

Mazedoniens Sozialdemokraten brauchen angesichts knapper Mehrheit überzeugendes Kommunalwahlergebnis

  • Thomas Roser, Belgrad
  • Lesedauer: 3 Min.

Österreichs selbst im Wahlkampf befindlicher Außenminister Sebastian Kurz hat sich dieses Mal den bereits erprobten Wahlhelfereinsatz für Mazedoniens Ex-Premier Nikola Gruevski versagt. Doch dafür schlagen Sloweniens Ex-Premier Janez Jansa und Ungarns Regierungschef Viktor Orban vor den am Sonntag steigenden Kommunalwahlen für den Gesinnungsgenossen umso kräftiger die Werbetrommel, auch wenn der ins Visier der Justiz geraten ist. Er werde den Chef der Partei mit dem langen Namen Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation - Demokratische Partei für Mazedonische Nationale Einheit (VMRO-DPMNE) »immer unterstützen«, weil dieser ein Politiker sei, »der die nationalen Interessen über alles stellt«, verkündete Orban Ende September auf einer Kundgebung in der westmazedonischen Stadt Ohrid.

Eigentlich werden am Sonntag in Mazedonien nur Stadträte und Bürgermeister gewählt. Doch der erste Urnengang seit dem Machtwechsel im Mai ist nicht nur für die neue Regierung des sozialdemokratischen Premiers Zoran Zaev, sondern auch für die nach elf Jahren an der Regierung auf die Oppositionsbank gerutschte VMRO ein wichtiger Stimmungstest. Sollte die VMRO, die bisher in 56 von 81 Kommunen den Bürgermeister stellt, erhebliche Verluste erleiden, dürften Gruevskis Tage als Parteichef gezählt sein. Sollte die VMRO hingegen landesweit vor der Sozialdemokratischen Liga Mazedoniens (SDSM) liegen, könnte sie neuen Wind unter ihren von unzähligen Skandalen geschwächten Flügeln verspüren. Schon ein Wahlsieg mit einer Stimme Vorsprung würde die Forderung nach vorzeitigen Parlamentswahlen legitimieren, so Gruevski.

Mazedonien ändere sich, verkündet hingegen Zaev: »Wir haben uns mit allen unseren Nachbarn versöhnt, führen selbst mit Griechenland einen aufrichtigen Dialog, schreiten entschlossen in Richtung EU und NATO.« Während Gruevski vor allem vor einer angeblich von der Regierung geplanten Ansiedlung von Flüchtlingen warnt, erinnert Zaev an Korruptionsskandale und strafrechtliche Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs gegen seinen Rivalen. Dessen 600 000 Euro teure Luxuslimousine solle verkauft, der Erlös für Rettungswagen verwendet werden: »Es gibt keinen Weg zurück: Die Bürger haben sich bereits für die Befreiung von Gruevskis Regime entschieden.«

Für seine Regierung steht viel auf dem Spiel. Bei einem überzeugenden Abschneiden seiner SDSM dürfte Zaev für das Frühjahr vorgezogene Parlamentswahlen anstreben, um die hauchdünne Regierungsmehrheit von nur 62 der 120 Sitze zu verbreitern. Doch selbst wenn die SDSM ein nur relativ gutes Ergebnis einfährt, könnte seine keineswegs homogene Koalition mit zwei Parteien der albanischen Minderheit unter Druck geraten: Die kleineren albanischen Parteien verübeln es Zaev, dass die SDSM beim Streit um die Bürgermeisterposten mit der größten Partei der albanischen Minderheit, der Demokratische Union für Integration (DUI), paktiert. Die angeblich von der Türkei finanzierte Besa-Partei, die zwar nicht in der Regierung sitzt, aber diese in Schlüsselfragen unterstützt, hat Zaev bereits verärgert das Ende der Kooperation angedroht.

Doch die monatelang von der VMRO verbreiteten Schreckensszenarien der Schaffung eines Großalbanien nach dem Seitenwechsel ihrer langjährigen Koalitionspartnerin DUI spielen im hitzigen Wahlkampf keine Rolle. Auch VMRO-Bürgermeister sind für die angestrebte Wiederwahl auf die Minderheit angewiesen und buhlen mit albanischen Kandidaten um deren Stimmen.

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