Sag zum Abschied leise Freihandel

Wolfgang Schäuble kritisierte zum letzten Mal bei einer IWF-Tagung die US-Politik

  • Daniel Jahn, Washington
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit einem Plädoyer für freien Welthandel und internationale Kooperation hat sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) von der Bühne der multilateralen Finanztreffen verabschiedet. Die »gesteigerte Rhetorik gegen den freien Handel« sei Anlass zur Sorge, sagte Schäuble am Samstag bei der Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Washington.

Die protektionistischen Tendenzen bedrohten »unser gemeinsames wirtschaftliches Wohlergehen«, warnte der scheidende Finanzmister. Abschottungsmaßnahmen schadeten dem Wachstum sowie »jenen, die sie zu beschützen behaupten«. Auch wenn er keine Namen nannte, bezog sich Schäuble offensichtlich unter anderem auf den Kurs von US-Präsident Donald Trump. Unter dem Motto »Amerika zuerst« hatte dieser internationale Handelsabkommen kritisiert und das pazifische Freihandelsabkommen TPP aufgekündigt. Auch droht er ausländischen Unternehmen mit Strafzöllen und -steuern.

In seiner Rede vor dem IWF-Lenkungsausschuss (IMFC) betonte Schäuble, dass sich Deutschland weiter »dem Protektionismus in allen seinen Formen widersetzen« und sich für globale wirtschaftliche und finanzielle Kooperation engagieren werde. »Wir brauchen mehr Öffnung, nicht weniger.« Der Welthandel habe Millionen Menschen aus der Armut geholfen sowie Stabilität und Wohlstand geschaffen. Schäuble sprach aber auch die Kehrseite der Globalisierung an. Die Staaten müssten »effiziente Maßnahmen« zum Schutz jener treffen, die unter wirtschaftlichem Strukturwandel und verschärftem internationalem Wettbewerb litten. Es müsse gemeinsames Ziel der Weltgemeinschaft sein, dass die »Erträge des Handels besser verteilt werden«.

Bei den Beratungen der G20-Finanzminister, die unter Vorsitz Schäubles parallel zur IWF- und Weltbanktagung stattgefunden hatten, war das Thema Freihandel jedoch ausgeklammert worden. Der Bundesfinanzminister begründete dies am Freitag damit, dass die Handelsfragen nicht zur »zentralen Zuständigkeit« der Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer gehörten.

Schäuble erinnerte aber auch an die »sehr schwierigen Diskussionen« über Handelsfragen bei dem G20-Treffen im März in Baden-Baden. Damals hatte die Staatengruppe auf Druck der USA darauf verzichtet, ein Bekenntnis für den Freihandel in ihre Abschlusserklärung aufzunehmen.

Auch IWF-Direktorin Christine Lagarde strich die Vorzüge des freien Welthandels heraus. Dieser sei ein »sehr starker Motor« von Wachstum und Innovation. Mit Lagarde hatte Schäuble in den vergangenen Jahren immer mal wieder über Kreuz gelegen, zum Abschied zeigte sich die IWF-Chefin jedoch versöhnlich. Dies sei nicht die Zeit, um »selbstgefällig« zu sein, sagte die IWF-Chefin. Wenn die Sonne scheine, sei vielmehr die Zeit, »um das Dach zu reparieren«. In einem Kommuniqué des IWF-Lenkungsausschusses hieß es, die fortdauernde Erholung der Weltwirtschaft müsse für energische Strukturreformen genutzt werden, »um das Wachstumspotenzial unserer Volkswirtschaften zu vergrößern«.

Seine Abschiedsrede nutzte Schäuble auch für eine Mahnung an seine ausländischen Kollegen, die derzeit günstigen globalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für konsequente Strukturreformen sowie den Schuldenabbau zu nutzen. Der hohe Schuldenstand in vielen Volkswirtschaften könnte ein hohes Hindernis für künftiges Wachstum »und sogar die Quelle einer neuen Krise werden«, warnte Schäuble. Damit nahm Schäuble auch in seinen Abschiedsworten die Rolle wahr, die er in den acht Jahren als Bundesfinanzminister auf der internationalen Bühne stets gespielt hat - die des Mahners für mehr Haushaltsdisziplin.

Im Gespräch mit Journalisten ließ der CDU-Politiker seine Genugtuung darüber durchblicken, dass auch der IWF dazu aufruft, die derzeit günstige Lage der Weltkonjunktur für strukturelle Reformen zu nutzen. AFP/nd

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