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Vertriebener
Michael Richter verlässt Freital, wo er Opfer rechten Terrors war
Der Entschluss stand zu befürchten. Im April schon erzählte Michael Richter, er arbeite mehr als früher - um seltener zu Hause in seiner Wohnung in Freital sein zu müssen. Auch an den Wochenenden kehre er der Stadt öfter den Rücken. Nun packt der Kommunalpolitiker der LINKEN gänzlich seine Koffer. Im Dezember, meldete die »Sächsische Zeitung«, ziehe er nach Bayern.
Wer könnte es ihm verdenken. Über Monate hinweg war ihm im Jahr 2015 das Leben in der Stadt zur Hölle gemacht worden. Richter, der Sozialpädagoge ist und im Ehrenamt die Ratsfraktion seiner Partei führt, hatte sich für die Unterbringung von Flüchtlingen eingesetzt, während vor dem Hotel »Leonardo« der rassistische Mob tobte. Er hatte Gegendemos angemeldet und sich in einem Willkommensbündnis engagiert. Damit zog er Zorn auf sich. Die Aufforderung, er solle zurück nach Nordrhein-Westfalen gehen, war eine der milderen Drohungen. An seiner Tür prangten Hakenkreuze, der Briefkasten wurde voller Bauschaum gesprüht. In der Nacht des 27. Juli 2015 schließlich wurde sein Auto in die Luft gejagt.
Die unmittelbar Tatbeteiligten, acht rechtsextreme Mitglieder der »Gruppe Freital«, stehen mittlerweile vor Gericht. In der Anklage ist von Terror die Rede. Offene Übergriffe und Anfeindungen gibt es seit ihrer Verhaftung weniger. Aber die Taten wirken nach. Als Richter im Frühjahr als Zeuge im Verfahren gehört wurde, erklärte er auf die Frage nach seinem Befinden: »Beschissen.« Unter Tränen berichtete er zudem davon, wie gründlich er seither seine Lebensgewohnheiten umgestellt hat.
Es sind Umstände, die womöglich sogar in Kauf zu nehmen wären, wenn es andererseits genügend Rückhalt und Solidarität von Nachbarn und Amtsträgern gäbe. Stattdessen, merkt Richter an, gebe es »ein großes rassistisches Lager und einen Oberbürgermeister, der gern schweigt«. Bei der Wahl zum Bundestag erhielt die AfD in der vormaligen SPD-Hochburg fast 35 Prozent, die LINKE kam nur auf gut zwölf. Künftig muss sie nun auch noch auf ihren bisher prominentesten Kopf in der Lokalpolitik verzichten.
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