Breitbart: »#metoo ist wie die AIDS-Schleife«

Rechter US-Kolumnist kritisiert Hashtag als Statussymbol / Schwedische Außenministerin wurde sexuell belästigt

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 4 Min.

Für Männer scheint es nicht leicht auszuhalten zu sein, in einer Debatte einmal nicht mitreden zu können. Nur vereinzelt versuchen Männer auf Facebook und Twitter, sich in der erfolgreichen #metoo-Kampagne zu äußern. Einige haben tatsächlich selbst Erfahrungen mit sexueller Belästigung gemacht oder machen sich Gedanken über das Thema und nutzen die Debatte, um darüber zu berichten. Die meisten jedoch wollen mit einem Tweet die Aufmerksamkeit nutzen und einen Hit landen. Besonders viel Schaum vor dem Mund bekommen natürlich die Männerrechtler, beispielsweise von der rechten US-Medienplattform Breitbart.

»Es ist wie die AIDS-Schleife«, sagt etwa der Kolumnist John Nolte über den #metoo-Hashtag im Breitbart-Radio. »Wisst Ihr, ich fühle mich sehr schlecht wegen dieser Frauen, aber es wird langsam eine Art Statussymbol.« Angesichts der Massen an Tweets und Postings, in denen Frauen schreiben, sie seien Opfer sexueller Gewalt geworden, glaubt Nolte ihnen offenbar nicht: »Keine der Frauen haben bislang Namen genannt.« Es würde ihm ja schon ausreichen, würden sie ankündigen, die Missbrauchsfälle samt Namen der Polizei zu berichten, beteuert der Breitbart-Autor.

Tatsächlich wird nur eine sehr geringe Zahl der strafrechtlich relevanten Fälle von sexueller Gewalt angezeigt. Eine EU-Studie von 2014 geht von etwa 16 Prozent aus. In verschiedenen Statistiken von Landeskriminalämtern ist eher die Rede von sieben bis acht Prozent. Sozialwissenschaftlerinnen erklären sich die hohe Dunkelziffer mit der gesellschaftlichen Einbettung sexueller Gewalt: Wenn es der Chef, Vorgesetzte, Vater oder Partner ist, der belästigt oder missbraucht, ist die Hürde hoch, damit zur Polizei zu gehen. Die persönlichen Folgen eines solchen Täter-Outings sind für die Frauen nicht abzusehen, vor allem, weil ihnen erfahrungsgemäß häufig nicht geglaubt wird und sexuelle Gewalt schwer nachzuweisen ist. Wie hoch die Dunkelziffer bei sexueller Gewalt tatsächlich ist, bleibt daher, wie der Name sagt: eben im Dunkeln. Ob Männer wie Nolte aber wirklich wollen, dass Frauen ihre Namen öffentlich über Twitter jagen, sei dahin gestellt.

Inzwischen rollt die #metoo-Welle weiter über die sozialen Medien und erfasst neue gesellschaftliche Bereiche: Mit der schwedischen Außenministerin Margot Wallström berichtet nun auch eine hochrangige Politikerin über sexuelle Belästigung. Wallström hat am Mittwoch auf ihrer Facebook-Page sexuelle Gewalt »auf höchster politischer Ebene« angeprangert. Sie selbst sei in ihrem Amt Opfer von sexueller Belästigung geworden, outete sie sich in der Kampagne #metoo.

Die Kampagne unter diesem Hashtag war auf Facebook und Twitter ins Rollen gekommen, nachdem öffentlich geworden war, dass der US-Filmproduzenten Harvey Weinstein massenhaft unter Vergewaltigungs- und Missbrauchsverdacht steht. Aufgerufen zu dem kollektiven Outing hatte die Schauspielerin Alyssa Milano. Es ist nach #Aufschrei und #notok die dritte größere Twitterkampagne zu dem Thema.

Wallström machte in ihrem Post keine konkreten Angaben zu der sexuellen Gewalt, die sie erfahren hat. Sie wolle nicht »zu persönlich« werden, schrieb sie. Bereits 2014 hatte sie jedoch in einem Buch des schwedischen Journalisten Jan Scherman von einem Vorfall berichtet, der während eines Abendessens mit europäischen Staats- und Regierungschefs stattfand. Die schwedische Außenministerin sei dabei von ihrem Sitznachbarn begrapscht worden. »Plötzlich habe ich eine Hand auf meinem Schenkel gespürt. Mein Tischnachbar fing an, mich zu betatschen. Das war völlig irreal«, erzählte sie.

Auch die Staatssekretärin Sawsan Chebli berichtete von sexueller Belästigung. »Ich habe keine so junge Frau erwartet. Und dann sind Sie auch so schön«, sagte ein Veranstalter öffentlich bei der Ankündigung ihrer Person. Nachdem sie dies als Belästigung outete, entbrannte in den sozialem Medien eine Diskussion über die Grenzen des Flirtens. Während die Einen dem Feminismus vorwerfen, Komplimente an Frauen komplett abschaffen zu wollen, weisen die Anderen darauf hin, dass der Kontext wichtig ist. Was in dem einen Verhältnis tatsächlich ein Kompliment ist, etwa in einer Liebesbeziehung oder beim Flirten in einer Bar, kann zwischen Kollegen eine sexuelle Belästigung darstellen. Es sind vor allem Frauen, die Männern auf Twitter versuchen, dies zu erklären: »Dass ein Kompliment, das der Ehemann seiner Frau, der Liebhaber seiner Liebhaberin, der Freund seiner Freundin macht, zwischen Arbeitskollegen oder Fremden auf der Straße eben keines ist, sondern: sexistisch.«

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