Der nächste Tiefschlag

Der THW-Kiel muss nach dem Pokalaus wohl alle drei Handballtitel der Saison abschreiben. Da auch Flensburg scheiterte, dürfen sich auch mal andere Hoffnungen machen

  • Christoph Stukenbrock, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Pokal? Futsch. Meisterschaft? Abgehakt. Champions League? Chancenlos. Nach nur sieben Wochen steht der THW Kiel vor den Scherben einer jetzt schon verkorksten Saison. Der frühe K.o. im Achtelfinale des DHB-Pokals ist der vorläufige Höhepunkt der schweren Krise des Rekordmeisters.

Doch personelle Konsequenzen dürfte es an der Förde vorerst keine geben, auch wenn Geschäftsführer Thorsten Storm der Frage nach Trainer Alfred Gislason am Donnerstag auswich. »Wir hängen alle am sportlichen Erfolg der Mannschaft, der über viele Jahre diesen Verein getragen hat. Spieler, Trainer und das Umfeld hier in der Geschäftsstelle«, sagte Storm und setzt auf einen Selbstheilungsprozess: »Es gibt keinen anderen Weg, als wieder aufzustehen.«

Nationaltorhüter Andreas Wolff war nach dem 22:24 beim Überraschungsteam der TSV Hannover-Burgdorf, der wettbewerbsübergreifend achten Saisonniederlage der Kieler, »grenzenlos enttäuscht«. Das Ergebnis sei »scheiße« und »Bestandteil einer Krise«. Wolff wusste: Der THW hatte in der niedersächsischen Landeshauptstadt nicht bloß die erste Titelchance der Saison verspielt, sondern auch die mit Abstand einfachste und wohl auch einzig noch realistische. Die nächste titellose Spielzeit nach 2016 scheint programmiert. Und das schon im Herbst. In der zurückliegenden Spielzeit hatte der Pokalsieg immerhin noch für eine ansonsten enttäuschende Runde entschädigt.

In Hannover erwischten die Zebras einen katastrophalen Start und lagen schnell mit 0:8 zurück. Doch selbst die zwischenzeitliche Aufholjagd und eine Zwei-Tore-Führung Mitte der zweiten Halbzeit gaben den total verunsicherten Kieler Stars keine Sicherheit. In den entscheidenden Schlussminuten fehlte dem hoch bezahlten Personal wieder einmal der unbedingte Siegeswille.

»Wir müssen weiter an der Konstanz arbeiten und die Fehler minimieren, um in dieser Saison trotzdem noch irgendwas zu reißen«, sagte Wolff. Wirklich überzeugend klang er dabei nicht. Angesichts des fatalen Saisonstarts schwindet selbst bei den treuen Anhängern des THW allmählich die Geduld. »Neustart JETZT!«, lautete noch eine der gemäßigteren Kommentare auf der Facebook-Seite des Vereins.

Am Sonnabend droht den Kielern bereits der nächste Tiefschlag, wenn es in der Liga bei den zweitplatzierten Füchsen Berlin um das letzte Fünkchen Hoffnung in Sachen Titelkampf geht. Schon jetzt beträgt der Rückstand auf die Spitze sechs Punkte. Und Berlin tritt mit der Empfehlung eines 29:26-Pokalcoups bei der SG Flensburg-Handewitt an.

»Wir haben eine klasse Leistung gezeigt. Jetzt freuen wir uns auf Kiel«, sagte Berlins Geschäftsführer Bob Hanning wohlwissend, dass sich die Kräfteverhältnisse im deutschen Handball gerade nachhaltig verschieben. Teams wie Hannover, Berlin und Magdeburg haben aufgeholt und mischen die Spitze auf. Von den Rhein-Neckar Löwen ganz zu Schweigen, die trotz kleinerer finanzieller Mittel als Kiel zuletzt zweimal die Meisterschaft gewannen.

Auch Flensburg hat mit den Aufmüpfigen zu kämpfen. Der Vizemeister steht zum ersten Mal seit 2010 nicht im Pokalviertelfinale - und so steigt das Final Four am 5. und 6. Mai in Hamburg erstmals seit 2001 ohne Kiel und Flensburg. Statt der Handballgroßmächte der vergangenen Jahrzehnte dürfen sich diesmal Teams wie Wetzlar, Stuttgart, Göppingen und Leipzig Hoffnungen auf eine Teilnahme machen. SID/nd

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