Schwarz-Grün schafft Tatsachen

Hessen: Verfassungsschutz soll ausgebaut werden

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit einem neuen Gesetz möchte die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen den Inlandsgeheimdienst ausbauen. Den »Eckdaten« des Gesetzes zufolge, die Innenminister Peter Beuth (CDU) dieser Tage vorstellte, soll das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) größere Befugnisse erhalten. Die Koalition strebe eine »Neuausrichtung« der Behörde an, die »einen besseren Schutz vor Terrorismus und Extremismus« zum Ziel habe, so Beuth.

Kern des Entwurfs, dessen Wortlaut bislang der Öffentlichkeit nicht vorliegt, ist laut Beuth eine effektivere Telekommunikationsüberwachung von Quellen. Dabei sollen Staatstrojaner auf Mobiltelefonen oder Computern gezielt und unbemerkt ein Programm installieren, das noch vor einer Verschlüsselung jede Kommunikation aufzeichnet und an die Ermittler weiterleitet. Mit der erweiterten Lizenz zum verdeckten Zugriff auf IT-Systeme sollen die Ermittler zudem die Befugnis erhalten, per Online-Durchsuchung Festplatten auszuforschen, sofern »tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut« bestünden. »Wir können nicht mit analogen Werkzeugen digitale Probleme lösen«, so Beuth.

Als »merkwürdig« bezeichnete der Abgeordnete Hermann Schaus (LINKE) die Tatsache, dass die Koalitionäre eine Pressekonferenz zur Neuordnung des LfV abhielten, obwohl die Gesetzentwürfe überhaupt nicht vorlägen. Die »Eckpunkte« seien unpräzise und unkonkret, so Schaus. Die SPD-Abgeordnete Nancy Faeser bezeichnete den Vorstoß der Koalition als »reine PR-Aktion« und bemängelte, dass die Opposition »nicht angemessen an der Neuregelung eines Verfassungsschutzgesetzes beteiligt« werde. »Bis heute liegen uns weder die Gesetzentwürfe, geschweige denn eine Gesprächseinladung vor. Eine echte Beteiligung sieht anders aus«, so Faeser. Ähnliche Kritik am Ausschluss der Opposition äußerte die FDP. Die Koalition hatte SPD und FDP eigentlich eine Einbindung in die Neufassung des Gesetzes zugesagt.

Die Linksfraktion war von Beginn an ausgeklammert worden. Ihre Kritik macht sich auch an der personellen Stärkung des LfV fest. So sieht der Etatplan bis 2019 eine Aufblähung der Behörde auf 370 Mitarbeiter vor. Noch um die Jahrtausendwende hatte das Landesamt lediglich 182 Stellen. »Diesen Inlandsgeheimdienst braucht kein Mensch, den können und müssen wir uns ersparen«, so der Abgeordnete Jan Schalauske (LINKE).

Das LfV steht seit Jahren im Zusammenhang mit der NSU-Mordserie in der Kritik. Auf Antrag von SPD und LINKE hatte der Landtag 2014 einen NSU-Untersuchungsausschuss gegründet. Der befasst sich mit dem Mord am Internetcafébetreiber Halit Yozgat in Kassel 2006 - und dem fragwürdigen Verhalten von LfV-Mitarbeitern, V-Leuten und Vorgesetzten bis hin zum damaligen Innenminister und heutigen Regierungschef Volker Bouffier (CDU) in der Sache. Das LfV hatte nach aktuellen Informationen schon 1999 Hinweise auf rechtsterroristische NSU-Strukturen mit Waffen und Sprengstoff. Schaus spricht in dem Zusammenhang vom »Staatsversagen« und »eklatanten Vertuschen«.

Die Parlamentarische Kontrollkommission des Hessischen Landtags zur Überwachung des Landesverfassungsschutzes wurde vor einiger Zeit auf fünf Mitglieder verkleinert. Damit sind dort gemäß Proporz derzeit CDU und SPD mit je zwei und die Grünen mit einem Abgeordneten vertreten. Motiv für die Verkleinerung war offenbar die Absicht, die LINKE aus dem Gremium fernzuhalten.

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