Sehnsucht nach der Familie
Dass Kinder mit ihren Eltern und Geschwistern zusammenleben, ist für viele eine Selbstverständlichkeit. Leider ist das jedoch nicht für alle möglich. Viele Familien, die aus ihrem Heimatland vor Krieg und Verfolgung fliehen, werden auf der Flucht getrennt. Oft müssen sie auf dem Weg in ein sicheres Land - wie zum Beispiel Deutschland - gefährliche Wege zurücklegen, etwa durch die Wüste oder in einem Schlauchboot über das Mittelmeer. Weil es so gefährlich ist, macht sich oft nur ein Mitglied der Familie auf die lebensbedrohliche Reise, um die Verwandten später nachzuholen. Manchmal reicht auch das Geld nur für die Flucht einer Person.
Viele Schutzsuchende in Deutschland haben also enge Verwandte wie Ehepartner, Kinder oder Geschwister, die in ihrer Heimat oder auf der Flucht zurückbleiben mussten. Obwohl sie ihre Familien so schnell wie möglich in Sicherheit bringen wollen, dauert das oft mehrere Jahre. Nach ihrer langen Flucht müssen sie viele Monate - teilweise sogar Jahre - auf eine Entscheidung über ihren Antrag auf Asyl warten, während ihre Familien unter lebensgefährlichen oder unmenschlichen Bedingungen ausharren. Nur wer in Deutschland als Flüchtling anerkannt ist, hat das Recht, seine Verwandten legal und sicher nachzuholen. Doch selbst dann ist es oft schwierig.
In Deutschland steht die Familie eigentlich unter besonderem Schutz, das ist im Grundgesetz so festgelegt. Dennoch hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren den Familiennachzug für Flüchtlinge massiv erschwert. Einige von ihnen dürfen ihre Verwandten erst nach zwei Jahren nachholen. Für die Betroffenen ein schier unerträglicher Zustand des Wartens, Bangens und Hoffens, dass den Zurückgelassenen in dieser Zeit nichts zustößt. Allein und ganz auf sich gestellt warten die Asylsuchenden in einem für sie fremden Land darauf, ihre Liebsten endlich in Sicherheit zu wissen. Besonders schlimm ist es, wenn in dieser Zeit eines der Kinder oder Geschwister volljährig, also 18 Jahre alt wird. Er oder sie darf dann nicht mehr auf dem legalen Weg des Familiennachzugs nach Deutschland reisen, sondern muss auf eigene Faust die gefährliche Flucht auf sich nehmen.
Einige der Flüchtlinge sind noch Kinder und ganz ohne ihre Eltern und Geschwister unterwegs. Für sie ist es besonders wichtig, dass sie ihre Familien so schnell wie möglich nach Deutschland holen können. Denn auch für sie gilt: Sobald sie das 18. Lebensjahr erreichen, haben sie kein Recht mehr, ihre Eltern und Geschwister zu sich zu holen. Oft wird den Eltern der Familiennachzug gewährt, den Geschwistern aber nicht. Vater und Mutter müssen sich also entweder zwischen ihren Kindern entscheiden, oder aber sie müssen sich trennen, damit sich ein Elternteil um die Kinder in Deutschland und ein anderes Elternteil um die Geschwister im Ausland kümmern kann.
Es ist also Eile geboten bei der Familienzusammenführung. Doch die Wartezeiten sind lang und das nicht nur in Deutschland. Anträge auf Familiennachzug müssen von den Angehörigen persönlich bei den deutschen Botschaften in den jeweiligen Ländern gestellt werden. Nur: In den Botschaften beträgt die Wartezeit für einen Termin mehrere Monate. Monate, die für die Betroffenen oft schwer zu ertragen sind. Wenn es bis dahin nicht schon zu spät ist.
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