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  • #Metoo und sexuelle Gewalt

Andersfrauen

Über neueste Brüche des vermeintlichen Tabus, Feministen zu kritisieren, das eben keines ist

  • Paula Irmschler
  • Lesedauer: 3 Min.

Leo Fischer beschrieb im Juni das Phänomen der »Nichtmehrlinken«: mutige Neukonservative, die sich entgegen der omnipräsenten Bedrohung von politischer Korrektheit pathetisch das Hemd aufreißen. Doch es geht noch kühner, unmainstreamiger und doppelmoralischer. Wann immer Frauen ihr von männlicher Gewalt Betroffensein öffentlich machen, sind sie nicht weit: die vermeintlich unbetroffenen Frauen, die durch die Gegend monologisieren, dass ihnen »sowas« – gemeint ist sexuelle Belästigung – ja überhaupt nicht passiert oder die anderen sich auch mal ein bisschen zusammenreißen – gemeint ist schweigen – könnten. Vorhang auf für die Andersfrauen. Oft handelt es sich hierbei um Frauen, die »es« geschafft haben, beweisen mussten, dass sie nicht schwach sind, die »wie Männer« sein mussten, weil Solidarität schwer zu finden war.

Heute liegt Solidarität auf der Straße, also im Internet. Als Anfang 2013 der Hashtag Aufschrei viral ging, war ich noch nicht eingebunden in feministische Zusammenhänge, habe nirgends publiziert, verstand nichts von all jenen politischen Grabenkämpfen, die ein unbedarftes Äußern so schwierig machen. Frauen tauschten sich aus, egal wo sie herkamen, was sie arbeiteten, wie alt sie waren. Jede mit Internetanschluss konnte teilnehmen, jede war wichtig, jede konnte gehört werden. Öffentliches Äußern war bis zur Etablierung von sozialen Netzwerken ein Privileg und nicht wenige wünschen es sich wohl zurück. Ein großes Hassobjekt sind nun die Netzfeministinnen, »Welt«-Autorinnen wie Hannah Lühmann haben fast kein anderes Thema. Klar, da biedert man sich jahrelang an Konservative an, beweist, dass man wirklich nicht so ist wie die anderen Frauen, sondern sachlich und so, und dann bekommen Frauen, denen es mit dem Feminismus ernst ist, mehr Aufmerksamkeit (aber kein Geld).

Abgebügelt

Paula Irmschler ist freie Autorin und kümmert sich an dieser Stelle alle 14 Tage um Dinge, denen man nur mit Heißdampf begegnen kann. Die Kolumne unter: dasND.de/abgebuegelt

Um den Andersfrauen-Job zu behalten, muss man Feministinnen ab und an erklären, dass sie jetzt aber zu weit gehen und ihr Tun sinnlos sei. So überrascht wenig, dass diese Andersfrauen jetzt, im Zuge der #metoo-Debatte um sexuelle Gewalt in Hollywood, wieder durch Abgrenzung glänzen. Auftritt Lühmann und »Warum ich den Hashtag #metoo nicht benutzen möchte« oder Judith Sevinç Basad von den Salonkolumnisten mit ihrem Text »#metoo? Ich nicht«, indem sie Frauen vorwirft, »sich zu Hause vor dem Bildschirm [zu] empören«. Und zwar, indem sie sich selbst vor dem Bildschirm empört. Applaus bekommen die Andersfrauen vor allem von Typen, die froh sind, dass endlich mal eine Frau es den »social justice warriors« zeigt. Das vermeintliche Tabu, Feministinnen zu kritisieren, ist eben keines. Frauen, die nicht in vielgelesenen Medien veröffentlichen, haben manchmal nur Hashtags als Plattform. Andersfrauen könnten ihre Sache unterstützen, zur Agenda machen – aber dafür gibt es eben keine gutbezahlten Aufträge. Zumindest das sollte sie stutzig machen.

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