In den Paradiesen der Steuersparer

Neues Datenleck bringt Politiker aus aller Welt und multinationale Konzerne in die Bredouille

Wieder mal gibt ein großes Datenleck Aufschluss über das Finanzgebaren der Vermögenden dieser Welt. Diesmal geht es um 13,4 Millionen Dokumente im Umfang von 1,4 Terabyte, die von 380 Journalisten aus 90 Medien über ein Jahr lang ausgewertet und »Paradise Papers« betitelt wurden. Es sind Datensätze der Anwaltskanzlei Appleby, der Treuhandfirma Asiaciti Trust und des Unternehmensdienstleisters Estera sowie die Firmenregister von 19 Steueroasen. Wie das Journalistennetzwerk ICIJ mitteilte, finden sich darin die Namen von mehr als 120 Politikern aus fast 50 Ländern, dazu Sportler, Firmenerben, Fußballvereine und Unternehmen. Sie alle sollen mit Hilfe dubioser Finanzkonstrukte in Steueroasen ihre zu Hause fälligen Steuerzahlungen reduziert haben. Dort gegründete Trusts, bei denen es sich nicht selten um reine Briefkastenfirmen handelt, verbuchen hohe Gewinne, auf die minimale oder gar keine Steuern zu zahlen sind.

Wie bei den Panama Papers von Frühjahr 2016 steht eine Anwaltskanzlei im Mittelpunkt: Diesmal ist es Appleby, einer der Marktführer bei sogenannten Offshore-Geschäften. Die Beratungsfirma mit 470 Mitarbeitern hat zehn Büros - allesamt in Steueroasen in der Karibik, den britischen Inseln, Afrika sowie in Hongkong und Singapur. Sie berät nach eigenen Angaben Finanzinstitutionen, große Unternehmen und »Personen mit hohem Eigenkapital«. Appleby selbst erklärte, man nehme alle Vorwürfe »extrem ernst«, sei aber nach sorgsamer und intensiver Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass es keinerlei Belege für Fehlverhalten seitens der Firma oder ihrer Klienten gebe. Kriminell ist aus Sicht der Steuerberater nur die Datenweitergabe - Appleby spricht von einem illegalen »Cyber-Angriff«.

Auch in den Paradise Papers findet sich eine illustre Runde Vermögender, die auf die Dienste der Offshore-Anlageberater zurückgreift. Der irische Rocksänger Bono etwa, der sich gerne für einen Schuldenerlass der Entwicklungsländer engagiert, investierte den Dokumenten zufolge über Firmen in den Steuerparadiesen Malta und Guernsey. Stephen Bronfman, der wichtigste Spendensammler des sich für Steuergerechtigkeit einsetzenden kanadischen Premiers Justin Trudeau, soll gemeinsam mit Ex-Senator Leo Kolber umgerechnet rund 52 Millionen Euro in eine Offshorefirma auf den Kaimaninseln investiert haben. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos soll Chef einer auf Barbados registrierten Holding gewesen sein, bevor er im Jahr 2000 Finanzminister wurde. Während die Panama Papers den damaligen pakistanischen Premier Nawaz Sharif zu Fall brachten, taucht diesmal der Name eines seiner Vorgänger auf: Shaukat Aziz, von 2004 bis 2007 Ministerpräsident, soll mithilfe der Anwaltskanzlei Appleby den »Antarctic Trust« aufgesetzt haben, ohne dies bei Amtsantritt offengelegt zu haben, wozu er eigentlich verpflichtet war. Und die deutsche Milliardärsfamilie Engelhorn soll als Großkunde der Kanzlei Appleby gleich hinter Dutzenden Trusts stehen.

Es geht auch noch prominenter: Die Finanzmanager der britischen Königin Elizabeth II. haben laut den ICIJ-Recherchen einen kleinen Teil ihres 500 Millionen Pfund umfassenden Vermögens in Fonds auf den Kaimaninseln und den Bermudas angelegt. Diese hätten Geld unter anderem in die umstrittene britische Handelskette Brighthouse investiert, die nicht zahlungskräftigen Kunden den Ratenmietkauf von Elektrogeräten anbietet und wegen Wucherzinsen in der Kritik steht. Das Herzogtum von Lancaster, das für die Anlagen der Queen zuständig ist, erklärte: »Alle unsere Investitionen sind vollständig überprüft und rechtmäßig.«

Die Paradise Papers enthüllen indes auch Steuerkonstruktionen multinationale Konzerne. So habe der US-Sportartikelhersteller Nike seine weltweite Steuerquote auf 13,2 Prozent gedrückt, indem er lukrative Lizenzen durch eine Tochtergesellschaft in Bermuda halten ließ. Genannt werden der umstrittene Fahrdienstvermittler Uber, der Internetriese Facebook, aber auch deutsche Konzerne wie Sixt, die Post, Siemens, Bayer und die Deutsche Bank. Der weltgrößte Rohstoffkonzern Glencore, der mit 107 Offshorefirmen als Topklient ein eigenes Büro in Applebys Bermuda-Office hatte, soll für Kupfer- und Kobaltabbaugenehmigungen im Bürgerkriegsland Kongo an einen Mittelsmann Schmiergelder gezahlt haben.

Es geht in den Daten aber nicht unbedingt um kriminelle Machenschaften, oft werden lediglich Steuerschlupflöcher genutzt, wie die Enthüller erklären. Der negative Effekt für den Fiskus, dem Einnahmen entgehen, sei aber identisch. Die Paradise Papers gehen über diese moralische Kritik noch hinaus - diesmal betritt das ICIJ auch außenpolitisch heikles Terrain. So soll US-Handelminister Wilbur Ross an Russland-Geschäften verdienen, was Fragen über einen Interessenskonflikt aufwirft. Der 79-jährige Milliardär hält den Berichten zufolge über Offshore-Fonds 31 Prozent an der Reederei Navigator. Einer von deren Großkunden ist der russische Energiekonzern Sibur, der von Vertrauten des Präsidenten Wladimir Putin, darunter der mit US-Sanktionen belegte Geschäftsmann Gennadi Timschenko, und Putins Schwiegersohn Kirill Schamalow, kontrolliert wird. Diese Verbindung sei dem US-Senat nicht bekannt gewesen, als er Ross Anfang 2017 für das Ministeramt bestätigt habe, schreibt die ICIJ.

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