Rekordjahr mit Personalabbau

Siemens-Chef Joe Kaeser hält an der Ankündigung »schmerzhafter Einschnitte« fest - trotz eines Milliardengewinns

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.

»Siemens steht so gut da wie nie zuvor«, betonte der Vorstandsvorsitzende der Siemens AG, Joe Kaeser, auf der Jahrespressekonferenz in München gleich mehrfach. Der Umsatz im Geschäftsjahr 2016/17 (bis 30. September) stieg ohne Sondereffekte um drei Prozent auf 83 Milliarden Euro, der Gewinn nach Steuern erhöhte sich um elf Prozent auf 6,2 Milliarden Euro. Und auch für das kommende Geschäftsjahr ist Kaeser sehr optimistisch gestimmt, denn neue Aufträge vor allem für Großprojekte sprudeln. Allein im vierten Quartal kamen Bestellungen im Umfang von über 24 Milliarden Euro herein, ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 16 Prozent.

Die meisten der rund 40 Geschäftseinheiten, die das Konglomerat Siemens bilden, »entwickeln sich gut oder sogar sehr gut«, sagte Arbeitsdirektorin Janina Kugel. Vor allem in den Divisionen Gesundheit, Industrieservice und Mobilität brummt der Geschäftsmotor. Insgesamt sechs von acht Sparten im Industriegeschäft konnten ihren Gewinn gegenüber dem Vorjahr steigern. In der zukunftsträchtig erscheinenden Division »Digitale Fabrik« sieht sich Siemens sogar in einer besonders starken Position, ohne den Konzern laufe da weltweit wenig.

Über dem »zauberhaften Elfenbeinturm«, wie Kaeser seine Konzernzentrale in München durchaus selbstironisch umschreibt, würde dauerhaft die Sonne scheinen, wären da nicht Abteilungen, in denen es nicht rund läuft. Besonders schlecht stehen die Division »Power and Gas« - also die konventionelle Energiesparte - und der Windturbinenhersteller Siemens Gamesa da. Letzterer leidet unter einem steigenden Preisdruck für Windenergieanlagen an Land. Für das Gesamtjahr rechnet Siemens Gamesa mit etwa neun Milliarden Euro Umsatz - zwei Milliarden weniger als im Vorjahr. Noch schwerer wiegt der Rückgang der Aufträge um 30 Prozent bei »Power and Gas«. Hier gehe es nämlich nicht um eine konjunkturelle Delle, sondern um »strukturelle Veränderungen« in der weltweiten Energieerzeugung. Noch im Jahr 2010 sei man von 3000 Bestellungen für große Gasturbinen ausgegangen, 2013 wurden nur noch gut 200 und in diesem Geschäftsjahr rund 120 Stück bei Siemens geordert.

Ein weiteres strategisches Problem bewegt Kaeser: Wie kann Siemens als Konglomerat aus 40 Einheiten mit den Spezialisten in den einzelnen Branchen auf Dauer mithalten? Eine Antwort lautet: fortlaufende Steigerung der Produktivität um fünf Prozent pro Jahr. Eine andere Antwort: Die Kosten müssen gesenkt werden. Siemens Gamesa will in drei Jahren bis zu 6000 Stellen in 24 Ländern streichen. Bei Siemens selbst stehen offenbar ebenfalls abertausende Stellenstreichungen an - in der Kraftwerkssparte sowie bei Prozessindustrie und Antrieben. Im laufenden Geschäftsjahr plant man aber auch 4000 bis 5000 Neueinstellungen allein in Deutschland.

Aktuell macht selbst die Sorgengesellschaft Gamesa Gewinn. Und die konventionelle Kraftwerkssparte erwirtschaftet mit einer Gewinnmarge von rund zehn Prozent sogar hohen Profit. Kaeser schaut aber weit voraus: Der Einbruch bei den Neubestellungen wird mittelfristig weniger Serviceaufträge nach sich ziehen - Wartung und Reparatur sind die eigentlichen Melkkühe im Industriegeschäft, nicht die Produktion. Weltweite Überkapazitäten, vor allem beim US-Konkurrenten General Electric, sorgen aktuell für schlechte Preise.

Frühere Abbauprogramme setzten auf Abfindungen, Umschulungen, Altersteilzeit oder die Übernahme in andere Konzernbereiche. Das werde diesmal nicht reichen, so Kaeser. Konkrete Pläne wolle man am 16. November den Belegschaftsvertretern im Wirtschaftsausschuss mitteilen, danach der Belegschaft, bevor die Öffentlichkeit informiert werde. Als Beruhigungspille sollen Siemens-Aktien für 400 Millionen Euro an die Belegschaft ausgeschüttet werden. Von der neuen Bundesregierung wünscht sich Kaeser eine bessere Aktienkultur - was auch immer das heißen mag.

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