Eine sehr teure Niederlage
Das Verpassen der Fußball-Weltmeisterschaft ist für Italien nicht nur ein sportliches Drama, sondern auch ein finanzielles Desaster
Auch am dritten Tag nach dem dramatischen Ausscheiden Italiens von der Endrunde der Fußballweltmeisterschaft beherrschen die Schlagzeilen dazu die italienische Presse. Nationaltrainer Gian Piero Ventura wurde am Mittwochabend entlassen, neue Namen werden bereits gehandelt: Rekordtorhüter Gigi Buffon soll Nachfolger werden. Zudem wird auch der Rücktritt des Verbandsvorsitzenden gefordert. Doch Carlo Tavecchio weigert sich hartnäckig, die Führung des FIGC abzugeben.
Doch zunehmend wird auch die Frage gestellt: Wer soll das alles bezahlen? Denn das torlose Remis gegen Schweden in Mailand kostete nicht nur die Azzurri die Fahrkarte nach Russland, sondern auch die italienische Wirtschaft eine ordentliche Summe Geld. So fiel zum Beispiel die Aktie des Medienimperiums RCS, zu dem die größte Sportzeitung »La Gazzetta dello Sport« gehört, am Tag nach dem Niedergang um 8,25 Prozent auf 1,12 Euro und musste zeitweise sogar vom Markt genommen werden.
Durch die verpasste WM-Teilnahme gehen auch dem italienischen Fußballverband etliche, eingeplante Millionen verloren. Das Turnier 2018 in Russland werden durch den Weltverband 790 Millionen US-Dollar (673 Millionen Euro) verteilt. In Brasilien 2014 waren es noch 576 Millionen Dollar. Etwa 400 Millionen davon sind für Gratifikationen der 32 teilnehmenden Mannschaften gedacht. Schon die sechzehn nach der Gruppenphase ausscheidenden Teams erhalten je acht Millionen Dollar. Die Finalisten hingegen können mit einer Zahlung von etwa 70 Millionen Dollar rechnen. Geld, das aus Werbeverträgen, Einnahmen aus dem Verkauf von Übertragungsrechten und Sponsorenleistungen zusammenkommt.
Nicht nur, dass diese hypothetische Summe den Italienern - für den Fall, sie hätten das WM-Finale erreicht - verloren geht, auch im Inland wird das Ausscheiden deutliche Folgen haben. Der nationale Fußballverband wird wohl erhebliche Werbeeinnahmen verlieren. Ein Vertrag mit dem Vermarkter Infront sah für eine vierjährige Periode eine jährliche Zahlung von 14,25 Millionen Dollar vor. Dazu sollte die FIGC vom Ausrüster der Mannschaft Puma bis 2022 - der WM in Katar - jährlich 18,7 Millionen kassieren. Diese Zahlen werden sicherlich diskutiert. Zudem sind noch 21 weitere Sponsoren bis 2022 involviert, von denen etliche nach dem Debakel abspringen dürften.
Mühevoll hatte das staatliche Fernsehen RAI die Übertragungsrechte vom Privatanbieter Sky zurückgewinnen können, wenngleich im Tausch gegen die Übertragungsrechte für die Olympischen Spiele. Man erhoffte sich erhebliche Werbeeinnahmen, denn zur WM 2014 sahen in Italien durchschnittlich acht Millionen Zuschauer die Qualifikationsspiele und schließlich je 17,7 Millionen die Spiele der Endrunde. Summarisch aufgelistet nahmen 1,2 Milliarden Zuschauer für 42 Stunden am Fernsehspektakel Fußballweltmeisterschaft teil - eine enorme Werbezielgruppe und entsprechend honoriert. Dies dürfte nun deutlich weniger werden.
Das Debakel der Nationalelf kündigte sich bereits im nationalen Fußball an. Die Vereine von Serie A bis zum Amateurfußball befinden sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Drei Erstligaklubs (AS Rom, Inter und AC Mailand) sind inzwischen in amerikanischem oder chinesischem Besitz.
Und: Auf allen Ebenen wirkt die Mafia im Fußball mit und wäscht in den Vereinen schmutziges Geld. Damit werden mit riesigen Summen ausländische Stars eingekauft, während die eigene Nachwuchsförderung vernachlässigt wird. So steht Serienmeister Juventus Turin im Verdacht, mit der ’Ndrangheta Geschäfte zu machen. Der gegenwärtige Tabellenführer SSC Neapel hingegen soll mit der Camorra im Geschäft sein. Hinzu kommt, das nationalistische und rassistische Aktionen einiger Fangruppen in den Stadien zu starkem Rückgang der Besucherzahlen führten. Auch hier bahnt sich ein wirtschaftliches Debakel an.
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