Die Leidenschaft, die meistens Leiden schafft

Italien ist aus der Qualifikation für die Weltmeisterschaft rausgeflogen. Zum ersten Mal seit 1958.

Rudi Strahl muss ein Fußballfreund gewesen sein. Oder jemand, der sich über Fußballfreunde gerne lustig machte. Was auf das Gleiche hinauslaufen kann. Jedenfalls hat Strahl, ein Dramatiker, Lyriker, Satiriker von Rang, ein Gedicht hinterlassen, das es in ein DDR-Lesebuch geschafft hat. Es handelt vom großen Drama Fußball, das die Menschen aufregt, begeistert, niederschmettert. Im Falle der DDR muss man sagen: öfter niederschmetterte, sofern es internationale Wettbewerbe betraf.

Nun ist in dieser Woche Italien aus der Qualifikation für die Weltmeisterschaft rausgeflogen. Zum ersten Mal seit 1958. 1958, das war vorm Mauerbau. Franz Beckenbauer war 13 und Italien hat seitdem die 53. Regierung. Jetzt ist Staatstrauer in Italien. Rudi Strahls Gedicht beginnt so:

Ein stolzes Volk ist seines Ruhms beraubt. Genauer:

Das ganze Volk verbirgt sein Haupt in Trauer.

Im Falle Italien kommt noch hinzu, dass eine Legende den Platz verlässt: der ewige Torwart Gianluigi Buffon, seit dem Jahr 2000 Stammtorhüter. Es gibt junge Kollegen und Kolleginnen im »nd«, die sich eine Welt ohne Buffon noch gar nicht vorstellen können, viel weniger als eine Welt ohne Angela Merkel im Kanzleramt. Weil sie es nicht anders kennen. Höchstens Robert Mugabe war zuletzt noch länger im Amt als Buffon.

Jäh ward es von dem Schicksalsschlag getroffen -

es weint. Es klagt. Und niemand mag mehr hoffen.

Womit gesagt ist, dass auch in der Redaktion einer linken Zeitung Herzen für den Fußball schlagen. Trotz der Millionen Euro, die dabei umgewälzt und verdient werden. Immerhin fliegen die meisten Sympathien Vereinen zu, die es schwer haben, ganz oben mitzuhalten. Wir haben eine starke Union-Berlin-Fraktion. Sozialistische Daumen werden auch gedrückt für St. Pauli, Kaiserslautern, Werder Bremen, Tennis Borussia Berlin, Freiburg und den SV Babelsberg. Eine innige Liebe gilt dem FC Barcelona, der vor Geld nur strotzt, aber erstens in Katalonien zu Hause ist und zweitens der Erzrivale des Königsklubs Real Madrid ist. Ein etwas verirrter Kollege fiebert mit Bayern München, aber er wird geduldet.

Ansonsten toben sich mental erschöpfte Kollegen am ramponierten Kickertisch aus; Schreibtischarbeiter am Fußballtisch. So etwas wird dann für Sport gehalten. Aber egal, es macht Spaß und führt nicht zur Depression wie in Italien.

Nichts nützt es, dass es einst der Großen viel geboren:

Es hat im letzten Fußball-Länderspiel verloren.

So ist das beim Fußball: Es geht um alles. Und um nichts. Wenn bloß das blöde Geld nicht wäre.

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