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Lauter Jubel, leise Kritik

Folge 127 der nd-Serie »Ostkurve«: Der 1. FC Union Berlin wächst schnell, in allen Bereichen. Die meisten Fans haben sich daran gewöhnt und hoffen auf den ganz großen Erfolg

Erstaunliche Zahlen präsentierte der 1. FC Union Berlin am Mittwochabend auf seiner Mitgliederversammlung. Gekommen waren weniger als erwartet: 765 Unioner wollten sich den Jahresbericht des Präsidiums anhören. Der Umzug von der Haupttribüne der Alten Försterei in die Ballsporthalle Hämmerlingstraße wäre nicht nötig gewesen. Aber aufgrund der erstaunlichsten Entwicklung wollte man auf Nummer sicher gehen: Die Mitgliederzahl ist um fast ein Drittel gestiegen. Der Zweitligist aus Köpenick hat nun 18 535 Vereinsmitglieder.

Glaubt man Dirk Zingler, werden es »bis zur Winterpause 20 000« sein. Wie und warum? Darauf ging der Präsident am Mittwochvormittag bei einem Pressegespräch nicht genauer ein. Daten und Angaben der neuen Mitglieder wertet der Klub natürlich aus. Und daraus ergebe sich laut Zingler sogar ein möglicher Anstieg bis zum Saisonende auf bis zu 25 000.

Ein Grund für den Zuwachs dürfte der sportliche Erfolg sein. In den vergangenen drei Jahren spielten sich die Köpenicker Fußballer in der zweiten Liga immer weiter nach vorn: Siebter, Sechster, Vierter. Aktuell steht die Mannschaft auf Platz drei - zwar mit zwei Punkten weniger und einem größeren Abstand zu den direkten Aufstiegsplätzen als zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison. Aber in dieser Spielzeit gibt es keine Klubs wie den VfB Stuttgart und Hannover 96, die als klare Favoriten am Ende auch die Plätze eins und zwei belegten. Derzeit wartet jeder eher auf ein Nachlassen des Aufsteigers und Überraschungsersten Holstein Kiel, gezweifelt wird auch an der Konstanz der zweitplatzierten Fortuna aus Düsseldorf. Und dann kommt ja schon der FCU. »Wir wollen dieses Jahr aufsteigen«, bekräftigte Dirk Zingler erneut.

Ebenso entschlossen zeigte sich der Präsident auch beim Thema Mitgliederzuwachs. Vehement wies er Medienberichte zurück, dass der Verein seine Anhänger indirekt zur Mitgliedschaft dränge. Ausgangspunkt war die Ankündigung des Klubs, dass zur Saison 2018/19 das langjährige Reservierungsrecht auf Dauerkarten wegfallen wird. Die auf 11 500 beschränkte Anzahl wird dann nur noch an Vereinsmitglieder vergeben. Dirk Zingler mit dieser Situation auch »nicht glücklich«. Aber einerseits zwinge die hohe Auslastung des Stadions den Klub zu dieser Maßnahme. Und andererseits will er »auch anderen Menschen ermöglichen, in die Alte Försterei zu kommen.«

Zwang zur Mitgliedschaft? Dass es darüber unter den Fans Diskussionen gibt, kann der Klub nicht leugnen. So ähnlich gab es diese auch schon, als beispielsweise das einst so beschauliche Weihnachtssingen im Stadion zum großen Event wurde, zu dem Mitglieder ein Vorkaufsrecht haben und nicht mehr alle Fans Einlass finden. Dass daraus aber die Frage nach dem »wahren Unioner« gestellt wird, findet Zingler »absurd«. Dass der Klub seine Fans jedoch in Gruppen einteilt, gibt er schon zu und sagt: »Wir sind ein mitgliedergeführter Verein - wir müssen unsere Mitglieder schützen.«

Wie unaufgeregt es im Verein zugeht, zeigte sich am Mittwochabend in der Ballsporthalle. Der Aufsichtsrat verabschiedete den Jahresabschluss und entlastete das Präsidium für das abgelaufene Geschäftsjahr. Die Mitgliederversammlung entlastete danach den Aufsichtsrat.

Auch bei den Spielen im Stadion ist die Stimmung fast durchweg positiv. Es wird immer lauter gejubelt: Im Schnitt kamen in der vergangenen Saison 20 785 Fans in die Alte Försterei, in dieser Spielzeit sind es schon wieder mehr geworden: 21 233. Bei einem Fassungsvermögen von 22 012 Zuschauern ist die Grenze fast erreicht. Die Kritik hingegen wird immer leiser. Zum Heimspielauftakt im Sommer gegen Holstein Kiel enthüllten die Ultras auf der Waldseite die Forderung: 34 + X = Alle in Rot. Was in vergangenen Spielzeiten noch ein Aufruf an die Fans zu ganz besonderen Spielen war, soll nun immer gelten. Weil Besonderes erreicht werden soll: Hinter dem Ziel 1. Bundesliga hat sich eine Mehrheit versammelt.

Das war vor nicht allzu langer Zeit noch anders. Denkbar waren da Zahlen, wie sie in der Ballsporthalle Hämmerlingstraße präsentiert wurden auch noch nicht. In der Saison 2016/17 wurden Gesamteinnahmen von mehr als 38 Millionen Euro und unter dem Strich ein Gewinn von 1,128 Millionen erzielt. Abgesehen von dem mit einem Rangrücktrittsrecht verbundenen Darlehen von Michael Kölmel konnte der Schuldenstand auf knapp unter drei Millionen Euro gesenkt werden. Am Ende dieser Spielzeit sollen sogar Einnahmen von mehr als 42 Millionen Euro stehen. Denkbar waren lange Zeit auch keine Millionentransfers wie von Sebastian Polter oder Akaki Gogia.

Die für eine Weiterentwicklung und einen Aufstieg notwendige Kommerzialisierung wird in der Alten Försterei mittlerweile hingenommen und akzeptiert. Dirk Zingler formuliert es etwas anders: »Zweck eines Fußballvereins ist es nicht, Gewinne zu erzielen, sondern gut Fußball zu spielen. Wenn man das tut, wird man auch wirtschaftlich erfolgreicher.« Man kann es so oder so sehen, klar aber ist: Ein Sieg am Freitagabend im Heimspiel gegen Darmstadt 98 wird alle freuen.

Spätestens 2020 sollen dann auch die Diskussionen um Eintrittskarten und Vereinsmitgliedschaft beendet sein. Dann soll das neue Stadion stehen - für 37 000 Zuschauer. Der Antrag für das Bebauungsplanverfahren ist gestellt, die Gutachten über Verkehr, Lärm und Umwelt sind beauftragt. Und: »Die Finanzierung soll in den nächsten drei Monaten stehen«, sagt Zingler. In erfolgreichen Gesprächen sei der Klub mit klassischen Banken, es gehe um Hypothekenfinanzierungen. Sollte der Stadionausbau dann irgendwann im Jahr 2019 beginnen, erwartet den 1. FC Union aber noch mal eine schwere Zeit ... wenn bei Bau und Spielbetrieb die Stadionplätze deutlich weniger werden.

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